Obwohl die Grundtendenz der Regierung in Sachen Pensionsreform stimme, würden "sich in dem Entwurf ausnahmslos alle Experten nicht ausreichend wieder finden", stellte Pensionsexperte Bernd Marin am Donnerstag in einer Pressekonferenz fest. Er fordert "machbare" Nachbesserungen: So sollten etwa im Rahmen der Hacklerregelung nur mehr Schwerarbeiter besser gestellt werden. Als "Allheilmittel" für die Zukunft nannte er die Einführung von Pensionskonten.
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Die Hacklerregelung sei "Etikettenschwindel" und "Sozialkitsch", wie Marin formulierte. Geht es nach ihm, so sollten künftig nur mehr "echte Hackler", nämlich Langzeitbeschäftigte, Nacht- und Schwerarbeiter, einige Jahre früher in Pension gehen können - und das abschlagsfrei und mit einer unbegrenzt nach oben geöffneten Bemessungsgrundlage.
In der Schweiz oder Schweden seien Reformen gelungen, so der Experte. Sie haben sich aber alle Zeit genommen und seien zu einem exzellenten Ergebnis gekommen, übte er Kritik an der schnellen Vorgangsweise der Regierung.
Verbesserungen seien auch bei der Anrechnung früherer Beitragsjahre notwendig. Ansonsten käme es durch den künftigen Durchrechnungszeitraum von 40 Jahren (bisher die besten 15 Jahre) zu erheblichen Pensionsverlusten. Marin merkte an, dass es auch Gewinner geben sollte bei der Pensionsreform.
Derzeit werden alle Beitragsjahre mit der sogenannten Netto-Anpassung aufgewertet, womit allerdings pro zwölf Monaten ein Pensionsverlust von rund einem Prozent verbunden wäre. Stattdessen sollte, so Marin, die Wertanpassung nach der jeweiligen Einkommens-Steigerung erfolgen, wodurch weniger Geld für die PensionistInnen verloren ginge. Eine Einschleifregelung wäre vorstellbar. Demnach könnten die besten 15 Jahre nach der Nettoanpassung berechnet werden und pro Jahr längerer Durchrechnung der höhere Anpassungsfaktor zum Tragen kommen.
In Sachen Ab- und Zuschlägen kann sich der Experte sogar eine Anhebung auf 6 Prozent vorstellen, wie es in den meisten EU-Ländern üblich sei. Geplant ist eine Erhöhung von derzeit 3,75 auf 4,2 Prozent. Positiv bewertete er die geplante Senkung des Steigerungsbetrags von 2 auf 1,78 Prozent.
Weitere Forderung: Die Senkung der Durchrechnung bei Frauen, die Zeit für Kinderbetreuung aufgewendet haben, um fünf Jahre auf 35. Weiters fordert Marin die Harmonisierung von Öffentlichem Dienst und Privatangestellten, denn "so geht´s nicht". Überdies wäre die Politik "gut beraten, mit gutem Beispiel voranzugehen", verlangte der Experte erste Änderungen bei Politikern und Beamten. Dann würde die Reform auf Akzeptanz stoßen.
Prinzipiell tritt der Pensionsexperte für ein Einfrieren bestehender Ansprüche ein und ein einheitliches Inkrafttreten der Reform mit 2004, wobei er sich damit auf einer Linie mit Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider befindet. Als "Allheilmittel" nannte er die rasche Einführung von transparenten Pensionskonten.
Auch der Sozialexperte Franz Kohmaier stößt sich am Regierungsentwurf. Er regt an, die geplante Absenkung des Steigerungsbetrags von 2 auf 1,78 Prozent auf mehrere Schritte zu verteilen. Die derzeit geplante Regelung werde auch von Experten in den Ministerien als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft.
Unterschiede ASVG -Beamte
Im ASVG besteht derzeit ein Regelpensionsalter von 60 Jahren für Frauen und 65 für Männer. Wegen Krankheit, langer Arbeitslosigkeit und langer Versicherungsdauer (37,5 Versicherungsjahre) kann man in Frühpension gehen (Frauen mit 56,5 und Männer mit 61,5 Jahren). Diese Frühpension soll nun - Ausnahme bei Krankheit - schrittweise ab Mitte 2004 bis 2009 abgeschafft werden. Das unterschiedliche Pensionsalter f ist bis 2019 verfassungsrechtlich gesichert.
Die Beamten haben ein einheitliches Pensionsalter von 65 Jahren sowie ein Frühpensionsalter von 61,5 Jahren. Auch hier soll die Frühpension bis 2009 abgeschafft werden.
Ausnahmen zur Frühpension gibt es nur für die so genannten "Hackler" also Männer mit 45 und Frauen sowie Beamte mit 40 Versicherungsjahren. Die Abschläge für Frühpensionisten gelten für ASVG-Versicherte als auch für Beamte. Derzeit werden pro Frühpensionsjahr 3,5 Prozent von der Bruttopension abgezogen (höchstens 14,7 Prozent), ab 1. Jänner sollen es nach 4,2 Prozent sein.
Die Bemessungsgrundlage errechnet sich derzeit nach den 15 besten Versicherungsjahren als Durchrechnungszeitraum. Arbeiter und Angestellte überweisen ihre Beiträge bis zur Höchstbeitragsgrundlage von derzeit 3.360 Euro brutto. Folglich sind auch die maximal erreichbaren Pensionen gedeckelt - und zwar mit 80 Prozent der Höchstbemessungsgrundlage von 2.155 Euro. Beamte haben hingegen keine Höchstbeitragsgrundlage, deshalb gibt es auch für die Pension keine Begrenzung. Außerdem bekommen die Beamten im Gegensatz zu den ASVG-Versicherten keine Abfertigung. Beamten-Pensionisten zahlen derzeit einen so genannten Pensionssicherungsbeitrag von monatlich 2,3 Prozent, der nun um einen Prozentpunkt erhöht werden soll.
Der Durchrechnungszeitraum soll bis 2028 im ASVG-Bereich und bis 2030 bei den Beamten auf 40 Jahre erhöht werden.
Der so genannte Steigerungsbetrag ist für die Pensionshöhe ebenfalls entscheidend. Dieser beträgt derzeit zwei Prozent pro Jahr, das bedeutet, dass man 40 Jahre arbeiten muss, um die Höchstpension von 80 Prozent der Bemessungsgrundlage zu bekommen. Da der Steigerungsbetrag nun auf 1,78 Prozent gesenkt wird, muss man künftig 45 Jahre arbeiten, um die 80 Prozent zu erreichen.
Im ASVG soll der niedrigere Steigerungsbetrag ab 1. Jänner 2004 für alle Versicherungsjahre, auch die schon geleisteten, gelten. Für Beamte, die vor 1995 pragmatisiert wurden, werden hingegen alle Beitragsjahre bis inklusive 2003 mit zwei Prozent bewertet. Erst für die Beitragsjahre ab 2004 kommt der niedrigere Steigerungsbetrag von 1,4 Prozent zur Anwendung, der auf Grund der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen den 1,78 Prozent im ASVG entspricht.