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Nachhaltiger Thun

Von Roland Knauer

Wissen
Ein stolzer Fischer bei einem Thunfisch-Turnier.

Wenn kein totales Fangverbot kommt, stirbt der Rote Thunfisch vermutlich aus.


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Berlin. Auf dem Fischmarkt in Tokio bringt ein stattliches Exemplar des Roten Thunfisches, den Wissenschafter Thunnus thynnus nennen, gut und gern 30.000 Euro. Zwar werden die pfeilschnellen Räuber der Weltmeere bis zu 458 Zentimeter lang, der schwerste Fang brachte mit 684 Kilogramm das Gewicht einer Kuh auf die Waage. Mit mehr als 40 Euro pro Kilogramm weist der Preis aber auf eine exklusive Verwendung hin: Der Rote Thun ist eine der wichtigsten Zutaten für das japanische Sushi-Gericht.

Naturschutzorganisationen wie der WWF haben daher schon lange den Verdacht, Thunnus thynnus könnte völlig überfischt sein. Auf den Roten Listen der Weltnaturschutzunion IUCN aber taucht diese Art nur unter der Rubrik "Daten ungenügend" auf. Als nun jedoch der renommierte US-amerikanische Thunfisch-Experte Bruce Collette mit Kollegen die vorhandenen Zahlen erneut auswertete, entpuppte sich der Rote Thun als "stark gefährdet". Er wendete dabei genau die Kriterien der IUCN an. Anderen Edelfischen wie dem Nördlichen und Südlichen Blauflossen-Thunfisch, dem Schwertfisch und dem Marlin geht es ähnlich schlecht, berichten die Forscher.

Hohe Preise auf dem Markt

"Vor allem die Arten, die lange leben und hohe Preise auf den Märkten bringen, sind gefährdet", erklärt Collette. Wissenschaftliche Daten zu kommerziell gefangenen Fischen sind Mangelware. Weltweit werden einige Tausend Arten gefischt. "Aber nur für wenige hundert Arten gibt es Bestandsschätzungen", weiß der Fischereibiologe Rainer Froese vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaft IFM-Geomar in Kiel.

Oft werten die Forscher daher indirekte Daten aus dem kommerziellen Fischfang aus. Mit welchem Aufwand bringt ein Schiff wie viele Tonnen Fang in den Hafen? Braucht ein Schiff heute zum Beispiel erheblich mehr Diesel, um den gleichen Fang wie früher an Bord zu holen, muss der Kapitän wahrscheinlich weiter fahren, um die gesuchten Schwärme zu finden. Da die Flotten den Fischen gleichzeitig mit immer besseren Methoden nachspüren, wird der Fang in zehn Jahren rund vierzig Prozent effektiver. Zusammen deuten bessere Methoden und höherer Dieselverbrauch dann stark darauf hin, dass weniger Fische im Meer schwimmen.

Viele der untersuchten Arten sind demnach überfischt, von Nachhaltigkeit ist nur selten die Rede. "Besonders schlimm ist die Situation bei den europäischen Fischern", fasst Froese zusammen. Das Paradebeispiel für die Probleme der Fischer in der Europäischen Union ist genau der Rote Thunfisch, den Bruce Collette gerade als stark gefährdet einstufen konnte. Diese Art kommt vor allem im Mittelmeer und Atlantik vor, wird aber zum größten Teil für den japanischen Markt gefangen. Eine WWF-Studie von 2009 weist ein Zusammenbrechen der Bestände nach. Bis zum Jahr 2012 könnte die Art ausgerottet sein, vermuteten die Naturschützer.

Hauptproblem für den Roten Thun ist die illegale Fischerei. Die hohen Preise für die Sushi-Spezialität in Japan locken Kriminelle an, die mit Flugzeugen und Helikoptern über dem Mittelmeer die Vogelschwärme suchen, die über Wasser oft eine Gruppe Thunfische verfolgen. Über Handy wird die Position des Schwarms an ein Fischerboot gemeldet, das dann in seinen Netzen fette Beute an Land holt. Diese Methoden sind zwar illegal, aber in vielen Ländern fehlt das Personal, um diesen illegalen Fischern das Handwerk zu legen.

"Helfen würde wohl nur ein totales Fangverbot", meint Rainer Froese. Dann könnten sich die Bestände erholen, und zugleich könnte ein Kontrollsystem für den Fang aufgebaut werden. So könnte der illegale Fang ausgetrocknet und der Rote Thun nachhaltig bewirtschaftet werden. Die Chancen für einen solchen Fangstopp aber scheinen schlecht, und der illegale Fang geht weiter.

Die Omega-3-Fettsäuren

Im Mittelmeer kann man noch einen weiteren Boom um den Roten Thun beobachten. An vielen Felsküsten liegen mittlerweile Netzkäfige, in denen junge Thunfische gemästet werden. Sie werden für den japanischen Markt mit Sardinen und Makrelen gefüttert, doch das Mästen ist nicht sonderlich effektiv: "Bis zu zwanzig Tonnen Fisch muss man in die Käfige werfen, um eine Tonne Zuwachs zu ernten", erklärt Froese. Nachhaltig ist das kaum. Aber betriebswirtschaftlich geht die Rechnung auf, weil das etwas fettere Muskelfleisch der so gemästeten Thunfische auf dem Sushi-Markt teuer bezahlt wird.

Besser managen Länder wie Norwegen ihre Fischfarmen. Dort werden möglichst wenige Antibiotika eingesetzt, die Infektionen vorbeugen. Die Käfige mit den Lachsen werden regelmäßig an andere Küstenabschnitte geschleppt, um die Umweltbelastung unter den Fischfarmen zu verringern. "Aber immer noch wird drei Mal mehr Fisch in die Käfige reingeworfen, als wieder rausgeholt wird", erzählt Rainer Froese. Das ist zwar besser als bei der Thunfisch-Mästerei, aber noch immer nicht nachhaltig.

Das Hauptproblem bei solchen Fischfarmen heißt nämlich Omega-3-Fettsäuren. Die gelten als sehr gesundheitsfördernd für den menschlichen Fischesser, doch baut der Organismus der Fische die Omega-3-Fettsäuren nicht selbst zusammen, sondern nimmt die Substanz mit der Nahrung auf. Und weil Fischöl eben den Großteil dieser Fettsäuren in den Lachskäfig bringt, lässt es sich noch nicht ersetzen. "Farmlachs schmeckt weich und fettig, Wildlachs dagegen ist fest und schmeckt traumhaft", erinnert sich Froese an eine Testmahlzeit.

Die vielleicht beste Nachricht für den Fisch kommt derzeit aus dem Handel. Weil die Käufer inzwischen häufig fragen, ob die Produkte auch nachhaltig erzeugt wurden, haben zum Beispiel Einzelhandelsketten Nachhaltigkeitsbeauftragte. Die überprüfen den Fischeinkauf kritisch. Langfristig dürfte dieser Druck des Marktes den Fischfang insgesamt nachhaltiger machen. "Das aber kommt allen zugute", ist Rainer Froese überzeugt. Nachhaltig bewirtschaftete Bestände sollten so nämlich preiswerteren Fisch als Farmen liefern. Und schmackhafter sind sie ohnehin.