Der Gebäudesektor verursacht einen Gutteil der globalen CO2-Emissionen. Heizung, Energie und Warmwasser aus fossilen Quellen werden durch die EU-Klimaziele teurer. Dabei sind soziale Abfederung und viel Koordination gefragt.
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Europa will klimaneutral werden. In den Zielvorgaben des "Fit for 55"-Pakets definiert die EU-Kommission das Ziel, bis 2035 um 55 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen zu wollen als 1990. Das wird sich besonders in Bereichen mit hohem CO2-Ausstoß auswirken, wie beim Bauen und Wohnen.
38 Prozent der globalen CO2-Emissionen entstehen nämlich hier, konstatiert ein Uno-Bericht aus dem Jahr 2020. Er kritisiert, dass nach wie vor hauptsächlich mit Kohle, Öl und Gas geheizt werde und die Elektrizität in viel zu hohem Ausmaß aus fossiler Energieerzeugung stamme.
Die direkten Emissionen im Bau- und Wohnsektor müssten um die Hälfte gesenkt werden, um bis 2050 energieneutral zu sein, heißt es in dem Bericht noch von Seiten der Internationale Energie Agentur (IEA) .
Energiearmut und nachhaltiges Wohnen
Energieeffizienz, die Nutzung alternativer Energien und damit Dämmung sowie insbesondere die Umstellung der fossilen Heizungen stehen daher im Fokus aller Nachhaltigkeitsbestrebungen im Gebäudesektor.
So müssen etwa in Österreich 600.000 Öl- und über 900.000 Gasheizungen, auf emissionsärmere Heizungsalternativen umgestellt werden, ein teures Unterfangen. Und es besteht zusätzlich auch noch ein starker Aufholbedarf, um die CO2-Ziele zeitgerecht zu erreichen - nicht nur jene der EU, sondern auch jene, die im österreichischen Regierungsprogramm festgelegt wurden. - Letzterem zufolge soll der heimische Gebäudesektor 2040 klimaneutral sein, das heißt netto Nullemissionen aufweisen.
Der Staat macht, wie kürzlich bekannt gegeben wurde, 2021/22 rund 650 Millionen Euro für eine Sanierungsoffensive locker und sieht zudem 100 Millionen Euro für die Initiative "Raus aus Öl und Gas" vor, wobei das bei ärmeren Haushalten bis zur Vollkostenübernahme reichen kann.
Sozialer Ausgleich auf dem Weg in die grüne Zukunft
Denn klimaneutrales Wohnen muss man sich auch leisten können - bei nachhaltigem Wohnen geht es nämlich nicht nur um Wirtschaftliches, sondern in hohem Maße auch um soziale Nebenwirkungen. So ist Energiearmut hierzulande längst eine traurige Tatsache, findet allerdings nur langsam den Weg in die gesellschaftliche Diskussion.
Immerhin rund 94.000 österreichische Haushalte konnten es sich schon vor der Corona-Pandemie nicht leisten, ihre Wohnräume angemessen warm zu halten, ergab eine Studie der Statistik Austria aus dem Jahr 2019. Und die Corona-Krise hat diese Situation sicherlich noch zusätzlich verschärft.
Das "Fit for 55"-Paket der EU, mit dem darin vorgesehene Emissionshandel, wird jedoch die Preise für fossile Brennstoffe künftig noch weiter steigern. Und das trifft einkommensschwache Haushalte besonders hart, befürchtet auch die Arbeiterkammer (AK). "Heizen und Warmwasser sind Grundbedürfnisse, deren Preise nicht dem freien Markt überlassen werden dürfen. Sonst können sich irgendwann nur noch Reiche eine warme Wohnung leisten", warnt AK-Klimaexperte Christoph Streissler.
Die EU hat dieses Problem durchaus erkannt und schlägt dafür einen Klima-Sozialfonds vor, der die Folgen abfedern soll. Dieser Fonds soll aus dem EU-Haushalt mit einem Betrag befüllt werden, der 25 Prozent der erwarteten Einnahmen aus dem Emissionshandel für Brenn- und Treibstoffe im Gebäudesektor und Straßenverkehr entspricht. - Man rechnet hier mit 72,2 Milliarden Euro. Da von Seiten der EU zudem vorgeschlagen wird, dass die Mitgliedstaaten Mittel in derselben Höhe bereitstellen, könnte der Klima-Sozialfonds insgesamt 144,4 Milliarden Euro für einen sozialverträglichen Übergang Richtung Nachhaltigkeit mobilisieren. Es gilt nur noch, diese Mittel über nationale Gesetze auch in die entsprechenden Bahnen zu leiten, damit sie auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
Weniger neu bauen und schneller sanieren
Ein weiteres Hindernis gibt es noch am Weg zu einer zeitgereichten Umsetzung der Nachhaltigkeitsvorgaben für Bauen und Wohnen in Österreich: Die thermische Gebäude-Sanierungsrate ist mit bundesweit 1,4 Prozent weit weg von den erforderlichen drei Prozent, kritisiert etwa die Umweltorganisation Global 2000 zuletzt. Allein der Gebäudesektor müsste in den nächsten zehn Jahren vier Milliarden Tonnen CO2 einsparen, rechnen die Umweltschützer vor.
Dafür müssten 40 Prozent der Gebäude im Land energetisch verbessert werden, in besonders schlecht sanierten Gebäuden ließen sich dann gar 60 bis 70 Prozent der Emissionen und damit der Energiekosten einsparen.
Um diese Ziele zu erreichen, muss der heimische Bausektor jedoch massiv an Tempo zulegen. Dafür müsste die Bauproduktion in der Hochbausanierung allerdings von heute rund 10 Milliarden Euro pro Jahr bis 2025 auf etwa. 16 Milliarden Euro steigen, geht aus der im Juli publizierten Studie "Kapazitätsanpassung der Bauwirtschaft für eine erhöhte Sanierungsrate" hervor. Sie wurde vom IIBW (Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen) und dem Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz im Auftrag des Klimaschutzministeriums durchgeführt.
Es fehlt in der Branche jedoch an Kapazitäten, denn die heimischen Bauunternehmen engagieren sich lieber im Neubau. Verglichen mit der Sanierung ist dieser nämlich attraktiver, bietet er doch höhere Wertschöpfung pro Mitarbeiter, geringeres Risiko und Möglichkeiten der Vorfertigung.
Hinzu kommt noch der grassierende Fachkräftemangel - bei einer höheren Sanierungsrate gibt es zusätzlich etwa 22.000 Jobs am Bau, das ist eine Erhöhung um 7 Prozent. Doch die Arbeitskräfte fehlen und eine schnelle Lösung ist hier nicht in Sicht.
Zudem verschärfen noch die derzeit hohen Preise für Rohstoffe und Bauprodukte die Situation.
Koordination bei Gesetzen und Förderungen
Als Stellschrauben, um die Sanierungsbestrebungen zu beschleunigen, definiert die Studie weiters Anpassungen bei Wohn-, Steuer- und Gewerberecht, bei Finanzierung und Förderung.
Hürden seien hierbei jedoch die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Behörden. Es fehle an Koordination, denn das wichtigste Instrument sei dabei der Finanzausgleich, der jedoch üblicherweise nur alle sechs Jahre verhandelt wird, so das Resümee.
Die Zeit drängt also, es wird weder billig noch einfach, den Sektor Bauen und Wohnen auf Nachhaltigkeit umzustellen. Gleichzeitig befürworten jedoch 80 Prozent der Menschen in Österreich ein Verbot von fossilen Heizungen. Die Mehrheit von ihnen fühlt sich allerdings unzureichend über Förderungen für einen Umstieg auf klimafreundlichere Anlagen informiert, ergab eine Integral-Studie im Auftrag von Global 2000. Hier muss wohl noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.