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Nachhilfe in Geschichte für Jus- und WU-Studenten?

Von Christian Rösner

Politik
Gegenüber autoritären Bewegungen wie im Film "Die Welle" mit Jürgen Vogel (Bild) sind die Studenten immer resistenter.

Online-Umfrage zu Autoritarismus und nationalem Selbstverständnis.


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Wien. "Die Gesellschaft wird resistenter gegenüber autoritären Bewegungen", sagte der Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte auf der Uni Wien, Oliver Rathkolb am Dienstag. Damit fasste er die Ergebnisse einer Online-Umfrage zusammen, die der Verein zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeitgeschichte und die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) zu "Autoritarismus, Demokratiebewusstsein und nationales Selbstverständnis" bei 14.549 Studenten durchgeführt haben.

Demnach stimmen beispielsweise nur 4 Prozent der Befragten zu, dass man härter gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen soll, um Recht und Ordnung zu wahren. Die Umfrage hat aber auch gezeigt, dass in manchen Bereichen die Geschichtsverarbeitung vernachlässigt wird, wie Angelika Gruber von der ÖH-Bundesvertretung erklärte. Schließlich stimmten 10 Prozent der Studenten der Behauptung zu, dass Österreich das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei. Die Auseinandersetzung mit Autorität, Hierarchie, Unterdrückung und Rassismen würden immer mehr in Vergessenheit geraten, kritisierte Gruber.

Befragt wurden Studenten aus den Geistes- und Kulturwissenschaften (38 Prozent) sowie Wirtschaft und Recht (23 Prozent). Der Rest kommt aus den Mint-Fächern, Sozialwissenschaften und Lehramt. Die von Gruber geforderte "Nachhilfe" in Geschichte richtete sich vor allem an Wirtschafts- und Jus-Studenten.

"Recht und Wirtschaft sind etwas stärker rechts orientiert", bestätigte auch Heinz Mayer, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Uni Wien. Handlungsbedarf wegen der genannten 10 Prozent sieht Mayer im Gegensatz zu Gruber aber "keinen spezifischen". Mit den 10 Prozent könne man leben, meinte er - immerhin genieße der RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) an den Unis weniger Zustimmung als die rechte Mutterpartei in der übrigen Gesellschaft, so Mayer.

Studenten sind kritischer

Tatsächlich haben Studenten laut Umfrage grundsätzlich eine positive Einstellung gegenüber Einwanderern und sehen die historische Mitverantwortung Österreichs an den Gräueln des Nationalsozialismus stärker als die Gesamtbevölkerung: Immerhin sind es laut einer Sora-Studie von 2007 rund 36 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Österreich als erstes Opfer des Nationalsozialismus sehen. Eine Mitverantwortung der Österreicher an der Judenverfolgung sehen 56 Prozent der Gesamtbevölkerung - bei den Studenten sind es mit 82 Prozent bei weitem mehr.

Trotzdem sei es wichtig für Studenten, die Möglichkeit zu haben, sich kritisches Wissen anzueignen, betonte Gruber. "Verschulte" und überladene Studienpläne würden aber die kritische Wissenschaft immer weiter verdrängen. Hier sieht Gruber vor allem einen Auftrag für die Lehre.

"Zusammenfassend gesagt bringt Investition in Bildung nicht nur Arbeitsplätze, sondern ist Voraussetzung für eine solide demokratische Basis unserer Gesellschaft", meinte Rathkolb und spielte den Ball an die Politik weiter. Und genau hier sieht Mayer wiederum ein "ganz großes Problem": In der Umfrage hätten 38 Prozent der Befragten angegeben, es sei sinnlos, sich politisch in einer Partei zu engagieren - obwohl nur 5 Prozent es als sinnlos erachten würden, sich grundsätzlich politisch zu engagieren. "Aber wo kann man sich sonst wirksam engagieren, wenn nicht in der Politik?", so Mayer.