Geprüft, wie sie es mit der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung halten, wurden am Wochenende Vertreter der vier EU-Beitrittskandidaten Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Türkei bei einer Konferenz des Ausschusses der Regionen (AdR) im englischen Essex. Die größten Defizite im Bereich der Regionalisierung weist eindeutig die Türkei auf.
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Von einer Selbstverwaltung auf regionaler Ebene ist in der Türkei keine Rede, wirklich eigenständige Gemeinden gibt es auch noch nicht. Das Land weist im Bereich der Dezentralisierung große Defizite auf, und die mächtige Zentralverwaltung wirkt bis auf die unterste Ebene. Diese eklatanten Mängel gegenüber dem von der EU definierten Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip sollten stärker in die Beurteilung über Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einbezogen werden, forderten mehrere Teilnehmer der Konferenz.
Nachholbedarf auf regionaler Ebene haben aber auch Bulgarien und Rumänien. In Bulgarien sind die 264 Kommunen in einem nationalen Gemeindeverband zusammengefasst, die Regierung bekennt sich zur Dezentralisierung und zur Steigerung der Eigenfinanzierung der Gemeinden und hat 2002 eine Arbeitsgruppe zur Finanzdezentralisierung eingesetzt sowie ein Gesetz über kommunale Steuern beschlossen. Keine besondere Bedeutung haben die neun regionalen (Bundes-)Behörden, die nur die Aufgabe der Bündelung von Ressourcen zur Optimierung von Programmen haben. Die Regionalgouverneure sind als Vertreter der Zentralregierung von dieser eingesetzt.
In Rumänien haben die rund 2.800 Gemeinden durch die neue Verfassung aus dem Jahr 2003 mehr Selbständigkeit vor allem durch die Zuweisung von Finanzmitteln aus verschiedenen Steuern und Übertragung von Zuständigkeiten erhalten. Die neue rumänische Verfassung hat sich teilweise schon an die EU-Verfassung angelehnt. In die 41 Bezirksorganisationen werden die politischen Vertreter direkt gewählt. Der Präfekt als Vertreter der nationalen Regierung hat aber noch zu viele Eingriffsrechte in die regionale Selbstverwaltung. Überdies sind die Regionalverwaltungen in Rumänien historisch belastet, da sie früher der verlängerte Arm des kommunistischen Regimes waren. An diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig eine "Europäische regionale Charta" wäre, in der der Begriff der Regionen klar definiert wird. Die acht regionalen Entwicklungsagenturen Rumäniens haben keinerlei politische Bedeutung und dienen nur zur Koordinierung regionaler Entwicklungsprogramme.
Am weitesten fortgeschritten in der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung ist Kroatien. Die 425 Gemeinden und 21 Regionen haben klar in der Verfassung verankerte Zuständigkeiten, die Dezentralisierung der öffentlichen Verwaltung schreitet voran. Die Regionalverwaltungen (Zupanjes) wurden auf Initiative des früheren EU-Ministers und jetzigen Präsidenten der starken Region Istrien, Ivan Jakovcic, in der Verfassung grundgelegt und gewinnen an politischer Bedeutung. Das Ziel der kroatischen Regierung sei eine unabhängige und dezentrale Verwaltung auf regionaler und kommunaler Ebene, erklärte Nikola Obuljen, der Präsident des Stadtrates von Dubrovnik.
Der Stand der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung müsse in den Beitrittsverhandlungen ein entscheidendes Kriterium sein, forderte der Ausschuss der Regionen. Denn die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips und die Stärkung der Regionen und Kommunen in der künftigen EU-Verfassung gebe ein Signal, in welche Richtung sich die Union entwickeln solle - in die Richtung eines "Europa der Regionen."