Zum Hauptinhalt springen

Nachholbedarf bei Covid-Gesetz

Von Daniel Bischof

Politik

Juristen sehen bei gesetzlicher Reparatur der Ausgangsbeschränkungen noch Luft nach oben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Und es wackelt wieder. Das Gerüst, auf das sich die Ausgangsbeschränkungen im Falle eines zweiten Corona-Lockdowns stützen sollen, wird von Juristen kritisch beäugt. Sie orten Probleme, die das Konstrukt vor dem Verfassungsgerichtshof erneut zu Fall bringen könnten.

Das Höchstgericht hatte Mitte Juli bereits das allgemeine Betretungsverbot während des ersten Lockdowns für gesetzeswidrig erklärt. In Reaktion auf die Entscheidung arbeitete das Gesundheitsministerium eine Reparatur aus. Die Begutachtung des entsprechenden Ministerialentwurfs läuft noch bis inklusive Freitag.

Der Entwurf ist nach Ansicht mancher Juristen nicht geglückt. Unscharfe Formulierung und Unklarheiten sehen die Verfassungsrechtler Karl Stöger und Peter Bußjäger. In einer Stellungnahme schreibt "Transparency International Österreich" von zu unbestimmten und möglicherweise verfassungswidrigen Bestimmungen. Auch das Amt der niederösterreichischen Landesregierung wünscht sich Klarstellungen.

Einzelne Worte entscheidend

Die Kritik bezieht sich teils nur auf einzelne Wörter und scheinbar nur auf Details. Genau solche "Details" können aber entscheidend sein, wie sich beim Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zeigte. Das Höchstgericht erklärte zwar das Covid-19-Maßnahmengesetz für verfassungskonform. Die Lockdown-Verordnung hielt der VfGH aber in großen Teilen für gesetzeswidrig.

Das Maßnahmengesetz hatte dem Gesundheitsminister nämlich lediglich die Befugnis eingeräumt, Betretungsverbote für bestimmte Orte zu verordnen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verbot mit der Lockdown-Verordnung im März aber österreichweit das Betreten des öffentlichen Raums. Trotz einiger Ausnahmebestimmungen handle es sich in der Sache um ein "allgemeines Ausgangsverbot", so der VfGH. Und ein "derart umfassendes Verbot" sei nicht durch das Gesetz gedeckt.

Der Ministerialentwurf schlägt vor, § 2 Abs 1 des Maßnahmengesetzes daher folgendermaßen zu ändern: "Beim Auftreten von Covid-19 kann durch Verordnung das Betreten von 1. bestimmten Orten oder 2. öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 erforderlich ist."

Ungenaue Regelungen

"Das ist eine ziemlich genaue Antwort auf das, was der VfGH bemängelt hat. Besonders verständlich ist diese Formulierung aber auch nicht", sagt Stöger.

Transparency International sieht durch die Formulierung "bestimmte Orte" die Möglichkeit gegeben, "durch Verordnung das Betreten jedweder privater Orte (Wohnungen) verbieten zu können". Das erscheine "überschießend und von Verfassungswidrigkeit" bedroht. In die gleiche Kerbe schlägt die Stellungnahme des Amts der niederösterreichischen Landesregierung: Es könne der "Eindruck entstehen", dass der Privatbereich erfasst werde und "durch Verordnung auch das Betreten von privaten Orten geregelt werden könnte. Eine Klarstellung wäre jedenfalls erforderlich".

Bußjäger hält den "Begriff der öffentlichen Orte für unklar und nicht definiert". Es sei fraglich, ob dieser "Minimalismus" vor dem Höchstgericht halte: "Das bewegt sich am unteren Rand von dem, was der VfGH sonst akzeptiert."

Stöger vermisst Klarstellungen zu den Streitfragen, die während des ersten Lockdowns aufgekommen sind: "Da geht es etwa um die Frage der Familien- und Verwandtenbesuche, die Reichweite möglicher Ausnahmen wie dem Spaziergehen." Auch das Amt der niederösterreichischen Landesregierung wünscht sich noch Klarstellungen, ob beispielsweise das Betretungsverbot auch für das "Befahren" öffentlicher Orte gilt.

Diese Punkte sollten im Gesetzestext - und nicht etwa nur in den Erläuterungen zum Entwurf - festgehalten werden, sagt Stöger: "Ansonsten schlittern wir in dieselben Diskussionen, die wir schon hatten: Nämlich, dass ein Gesetz zu ungenau und die Verordnung zu detailliert ist."

Diese Klarstellungen seien auch im Hinblick auf die Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu Corona-Strafen und der VfGH-Entscheidung geboten: "Die Gerichte haben darauf hingewiesen: Die Bestimmungen müssen aufgrund ihres Strafcharakters - und da sie uns alle betreffen - besonders klar sein: Und da sehe ich noch Luft nach oben", sagt Stöger.

5,9 Millionen Euro an Strafen

Seit Beginn der Gesundheitskrise in Österreich wurden aufgrund des Covid-19-Maßnahmengesetzes und des Epidemiegesetzes bisher 27.815 Anzeigen erstattet. Das ergaben parlamentarische Anfragen der Neos. Insgesamt wurden demnach Geldstrafen in Höhe von fast 5,9 Millionen Euro verhängt. Mehr als 10.000 Betroffene legten Rechtsmittel ein - etwa die Hälfte war damit bisher erfolgreich.