Totgesagte leben länger - auch an den Devisenmärkten. Als der Euro in den vergangenen Monaten wegen der - von Griechenland ausgelösten - europäischen Staatsschuldenkrise rasant an Wert verlor, wurde jede noch so kleine Bewegung auf dem Kurszettel gebannt mitverfolgt, als handelte es sich schon um die letzten Zuckungen der Gemeinschaftswährung. Dass der Euro seit Anfang Juni wieder rasant gegenüber dem Dollar zugelegt hat, findet dagegen kaum Beachtung.
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Zur Erinnerung: Anfang Dezember 2009 war ein Euro 1,50 US-Dollar wert, nach seinem steilen Absturz erreichte er vor zwei Monaten mit 1,19 Dollar den tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren. Danach setzte jedoch eine Trendumkehr ein. Mittlerweile notiert der Euro bereits wieder bei 1,32 US-Dollar - in etwa dem Wert von Anfang Mai, bevor die Staatsschuldenkrise ihre heiße Phase erreichte.
Nun scheinen Spekulationen über Staatspleiten und einen Zerfall der Eurozone wie weggewischt. "Das Blatt hat sich gewendet", meint Erste-Group-Analystin Gudrun Egger. Die Märkte hätten mittlerweile ein neues Thema entdeckt, nämlich die sich abschwächende Konjunktur in den USA. Die Stimmung geht also zulasten der Amerikaner: Investoren verkaufen US-Dollar und kaufen Euros, damit steigt der Kurs der Gemeinschaftswährung gegenüber dem Greenback.
Es ist aber nicht so, dass der Euro nur von der prognostizierten Schwäche der US-Wirtschaft profitieren würde. RZB-Analyst Jörg Angelé verweist darauf, dass die "Schuldenhysterie" mittlerweile vorbei sei. Es habe sich gezeigt, dass Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal ihre Einsparungsziele erfüllen würden und sich weiterhin an den Märkten Geld leihen können. Er rechnet damit, dass die Erholung des Euro bis Anfang September weitergehen wird. Sowohl Angelé als auch Egger erwarten zumindest einen Kursanstieg auf 1,35 Dollar.
Mittelfristig gibt es jedoch mehrere Gründe, die für einen neuerlichen Abschwung der Gemeinschaftswährung sprechen: Angelé glaubt, dass auch Europa Wachstumssorgen nicht erspart bleiben werden. Der Konjunkturzyklus hinkt diesseits des Atlantiks in etwa um ein halbes Jahr hinter dem der USA her. Eine Flaute dort würde sich wohl im Winter auf Europa durchschlagen. Damit könnte auch die Staatsschuldendebatte wieder aufflammen, da Budgets bei wegbrechenden Steuereinnahmen schwerer zu sanieren sind. Großer Unsicherheitsfaktor sind allfällige Zinsanhebungen. Geht - wie üblich - die US-Notenbank Fed voran, würde dies den Dollar stärken.
Allerdings kann bei einem Kurs um die 1,30 ohnehin nicht von einem schwachen Euro die Rede sein. Angelé sieht die "faire" Bewertung bei knapp unter 1,20. Hier wäre die Kaufkraftparität hergestellt: Für einen Euro könnte man dann statistisch gesehen in Europa genausoviel der selben Ware kaufen wie - nach dessen Umwechslung - in den USA.