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Nachrichten aus der Anstalt

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Warum ein Blick auf Europa in Peking für außerordentlich gute Laune sorgen dürfte.


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Manchmal könnte man als Europäer den Eindruck gewinnen, nicht Bewohner einer der höchstentwickelten Kulturen des Planeten zu sein, sondern Insasse einer geschlossenen Anstalt, deren Aufseher nicht von den Patienten zu unterscheiden sind. Etwa, wenn in den meisten Staaten des alten Kontinents der Preis von fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Erdgas mittels staatlicher Interventionen nach oben getrieben wird, um das Klima zu schützen - und, wenn die Preise dann tatsächlich kräftig steigen, großes Jammern ansetzt, dass für immer mehr Menschen eine warme Wohnung zum Luxus wird. Was dazu führt, dass der gleiche Staat, der zuerst wünscht, dass Energie teurer wird, anschließend mit Subventionen (wie etwa in Österreich) dafür sorgt, dass die Kosten der Verbraucher wieder sinken - und der "Lenkungseffekt" natürlich perdu ist.

Gleichzeitig auf die Bremse zu steigen und Gas zu geben - das ist in aller Regel kein Akt der Vernunft, sondern eher Folge des Konsums verbotener Substanzen. Wenn ein ganzes Land so regiert wird, verheißt das eher nichts Gutes für die Zukunft. Wobei die völlig aus dem Ruder gelaufene Energiepolitik in Staaten wie Österreich, aber vor allem auch Deutschland, noch irrwitziger erscheint, betrachtet man sie im globalen Kontext.

China, der mit Abstand größte Emittent klimaschädlicher Abgasen, hat 2021 mit 4,07 Milliarden Tonnen Kohle so viel gefördert - und anschließend verbrannt - wie nie zuvor. Der Grund dafür ist klar: Das Regime will um jeden Preis ausreichend Strom für den wirtschaftlichen Aufstieg bereitstellen und auch Blackouts vermeiden, die das Volk verärgern könnten. Daran wird sich auch mittelfristig nichts ändern, sage und schreibe 200 neue Kohlekraftwerke sind im Reich der Mitte gerade im Bau, dazu kommen 150 neue Kohlegruben, um die benötigten Brennstoffe zu fördern.

Vor diesem Hintergrund stellt sich schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit der extrem ambitionierten europäischen, und da vor allem deutschen Klimapolitik. Einer Politik, die dazu führt, dass die Industrie immer gravierendere Wettbewerbsnachteile gegenüber chinesischen Konkurrenten schultern muss, so kostet Strom in Deutschland mittlerweile viermal so viel wie in China. Gleichzeitig führt diese Politik zu immer schwereren sozialen Schieflagen und Wohlstandsverlusten der Bürger, die nur mittels teurer, aber ineffizienter staatlicher Interventionen halbwegs korrigiert werden können.

Geostrategisch hat diese Kombination aus europäischer Hyper-Klimapolitik und chinesischer (sowie indischer) Nonchalance gegenüber dieser Problematik klare Konsequenzen, die China ja auch beabsichtigt: seine Position zu stärken und jene Europas zu schwächen, was die Europäer dankenswerterweise auch noch weitgehend selbst erledigen.

Und das noch mit einem eher überschaubaren Nutzen für das Klima. Deutschland, Europas ökonomische Großmacht, produziert gerade einmal 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Und reduziert diesen geringen Wert jetzt zu enormen sozialen, wirtschaftlichen und strategischen Kosten mühsam ein wenig - während China vergnügt zusieht. Manchmal könnte man wirklich meinen, in einer geschlossenen Anstalt gelandet zu sein.