Die neuen Zeltstädte für Flüchtlinge füllen sich, trotzdem spitzt sich die Platznot in Traiskirchen zu.
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Wien. (man/apa) "Ein menschlicher Skandal, eine völlige Bankrotterklärung des Systems. Eine traurige Nacht für die Republik." Die Situation und die Wortwahl im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung in Österreich bleiben dramatisch. Diese Worte stammen von Andreas Babler, Bürgermeister von Traiskirchen. Er äußerte sich am Montag derart drastisch, nachdem viele Flüchtlinge in der vorangegangenen Nacht in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen keinen Schlafplatz mehr in den Unterbringungsräumlichkeiten bekommen hatten.
Der Andrang von Asylsuchenden hielt auch über das Wochenende unvermindert an, am Freitag gab es 224 Anträge, am Samstag 179 und am Sonntag 190. Zum Vergleich: Vor einem Jahr wurden durchschnittlich noch 67 Asylanträge pro Tag gestellt. Die erst vergangene Woche aufgestellten Zeltstädte in der Stadt Salzburg und in Linz und Thalham in Oberösterreich wurden am Montag weiter belegt.
Die Zeltstadt in Salzburg ist mit knapp 100 Personen nun voll belegt. In Linz und Thalham gibt es noch geringe Kapazitäten. Wie lange diese Quartiere aufrecht bleiben werden, lässt sich aktuell nicht abschätzen. "Solange es nötig ist", teilt die Landespolizeidirektion Salzburg mit. Solange die Zelte stehen, werde es einen wöchentlichen Asylgipfel geben, kündigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner an.
Die Bevölkerung reagiert unterschiedlich auf die Unterbringung von Flüchtlingen in Zeltstädten. In Salzburg kommen bei der Zeltstadt immer wieder Anrainer vorbei und bringen Hilfsgüter für die Flüchtlinge, berichtet die Polizei. In Linz wurden die Flüchtlinge bisher einzig von einer Schülergruppe besucht.
Das Quartier in Wien Erdberg, wo derzeit 235 Personen untergebracht sind, ist wie die Zeltstädte eine "Ersatzlösung", betont Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck: "Je früher die Bundesländer Quartiere schaffen, desto früher kann man das Ersatzquartier schließen." Man habe "kein Interesse", dieses Quartier auf Dauer einzurichten. Der Fonds Soziales Wien wehrt sich gegen die in Erdberg theoretisch mögliche Unterbringung von 600 Flüchtlingen.
Kaserne statt Zelt?
Wie der akute Quartiermangel gelöst werden kann, weiß aktuell niemand. Bund, Länder und Gemeinden schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Oberösterreichs Sozial-Landesrätin Gertraud Jahn fordert "einen gemeinsamen Notfallplan, der längerfristig hält. Diese Hau-Ruck-Aktionen sind kein Notfallplan", sagt sie mit Blick auf die Zeltstädte. Jahn kündigte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" noch für diese Woche Notfallquartiere in Oberösterreich an, mit denen man dem Bund aushelfen wolle.
"Das wäre eine Unterbringung in festen Räumlichkeiten, das wäre zumindest wesentlich besser als Zelte", erklärt Jahn. Welche Quartiere das sind, könne sie erst sagen, wenn sie fixiert seien. Von dem Plan, in Kasernen Plätze für Asylwerber zu schaffen, hält Jahn wenig und widerspricht damit ihrem Chef, ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer, der genau das verlangt.
Aktuell lässt Verteidigungsminister Gerald Klug prüfen, ob Flüchtlinge verstärkt an Kasernenstandorten untergebracht werden können. Bis Mittwoch soll ein Ergebnis vorliegen. Es gebe aktuell keine leer stehenden Kasernen, hieß es aus dem Ministerium. Es müssten daher einzelne Gebäude oder ganze Liegenschaften geräumt werden.
Neben der aktuellen und zukünftigen Belegung müssen auch die baulichen Voraussetzungen geprüft werden.
In Oberösterreich etwa käme nur die Kaserne Linz-Ebelsberg in Frage, da kündigte aber Bürgermeister Klaus Luger bereits heftigen Widerstand an. "Wenn das passiert, komme ich mit einer Unterlassungsklage", sagte er in den "Oberösterreichischen Nachrichten".
Entlastung für Traiskirchen
Wenig weiter geht auch bei den ab Juli geplanten Verteilerzentren, die eine Entlastung der Erstaufnahmezentren in Traiskirchen und Thalham bringen sollen. Schon lange klar ist, dass das Burgenland und Vorarlberg keine dieser Aufnahmezentren erhalten, da die Flüchtlinge, die dort untergebracht werden sollen, von Wien und Tirol mitbetreut werden.
Ebenfalls fix ist, dass das Salzburger Verteilerzentrum im ehemaligen Luxushotel Kobenzl auf dem Gaisberg in Salzburg-Stadt stehen wird. Dieses Gebäude wird bereits jetzt als Flüchtlingsunterkunft genützt. Wien will ebenfalls ein bereits bestehendes Quartier für Asylwerber in der Nußdorfer Straße verwenden. In Niederösterreich wird Traiskirchen das Verteilerzentrum bleiben.
In Oberösterreich geht Sozial-Landesrätin Jahn ebenfalls davon aus, dass eine der bestehenden Bundesbetreuungsstellen in Thalham oder Bad Kreuzen umfunktioniert werden sollte. Dazu gibt es aber noch Gespräche mit dem Innenministerium. In Tirol soll das Verteilerzentrum im Großraum Innsbruck entstehen, aktuell ist man aber noch auf der Suche nach einem passenden Objekt.
In Kärnten ist der Standort noch offen, fünf bis sechs Objekte sind bisher besichtigt worden. Die Steiermark ist schon weiter und hat den ehemaligen Fliegerhorst Nittner nahe dem Flughafen Graz Thalerhof als geeignet vorgeschlagen. In die Verhandlungen mit den Eigentümern des Geländes sei man aber nicht eingebunden, heißt es vonseiten des Landes Steiermark.