Mit dem Absturz von Flug MH17 erlebt Malaysia das zweite schwere Luftfahrtunglück innerhalb weniger Monate. Experten halten den Ruf von Malaysia Airlines für irreparabel beschädigt. Der Unternehmenswert ist um ein Drittel gesunken.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bangkok/Kuala Lumpur. (ce) Schon wieder musste Malaysias Premierminister Najib Razak vor die Öffentlichkeit treten, um sie abermals über ein Unglück zu informieren. Und erneut traf es die Malaysia Airlines. "Es war ein tragischer Tag in einem bisher äußerst tragischen Jahr für Malaysia", sagte Najib am Freitag in einer improvisierten Pressekonferenz am Flughafen von Kuala Lumpur um fünf Uhr Früh.
Es sind erst viereinhalb Monate seit dem Verschwinden von Flug MH370 vergangen. Und schon steht Malaysia wieder vor einer Tragödie. "Die Passagiere und die Crew kamen aus vielen verschiedenen Ländern", sagte der Regierungschef. "Heute sind wir alle in Trauer vereint."
Aktienkurs von Malaysia Airlines bricht ein
Nach dem Absturz des Malaysia-Airlines-Fluges MH17 im Osten der Ukraine steht das südasiatische Land nun erneut unter Schock. Fernsehsender zeigten Bilder von weinenden Angehörigen, die sich in den Morgenstunden am Flughafen der Hauptstadt eingefunden hatten. Im Internet drückten Zehntausende ihre Anteilnahme aus. "Pray for MH17", war auf Anzeigetafeln im Flughafen zu lesen.
Für die bereits kriselnde Fluggesellschaft Malaysia Airlines ist das Unglück mit rund 300 Toten wirtschaftlich existenzbedrohend. Branchenexperten glauben nicht, dass sich die Fluglinie nach der zweiten Tragödie binnen weniger Monate wieder erholen kann. Der Aktienkurs des Luftfahrtkonzerns brach an der Börse in Kuala Lumpur ein: Das Papier rutschte um mehr als elf Prozent ins Minus. Seit Beginn des Jahres hat das Unternehmen damit mehr als ein Drittel seines Wertes eingebüßt.
Die europäischen Fluggesellschaften standen am Freitag ebenfalls unter Druck. Lufthansa IAG büßte etwa bis zu 1,9 Prozent und Air France maximal sogar 2,9 Prozent ein. Bei Malaysia Airlines drohen nun aber die Probleme vollkommen außer Kontrolle zu geraten. Die Fluglinie, die sich zum Großteil in Staatsbesitz befindet, schreibt bereits seit drei Jahren Verluste. "Malaysia Airlines wäre im kommenden Jahr das Geld ausgegangen. Diese Situation hat sich nun verschlimmert", sagte Mohsin Aziz, Luftfahrtanalyst der malaysischen Bank Maybank dem Fernsehsender Channel News Asia.
Bereits nach dem Verschwinden von Flug MH370, der am 8. März auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking von den Radarschirmen verschwand und seither verschollen ist, geriet die Fluglinie ins Taumeln: Im Mai verkündete sie einen Quartalsverlust von 443 Millionen Ringgit - das sind umgerechnet rund 100 Millionen Euro. Im gleichen Quartal des Vorjahres lag der Verlust mit umgerechnet 65 Millionen Euro noch deutlich niedriger.
Stark gesunkene Ticketverkäufe waren der Hauptgrund für die finanziellen Schwierigkeiten. Die schlechten Imagewerte dürften nun noch weiter sinken: "In der Geschichte der Luftfahrt gab es keine einzige Airline, die innerhalb von vier Monaten zwei große Katastrophen erlebte", sagte Aziz. Er könne sich nicht vorstellen, wie die Fluglinie das überstehen soll. "Es ist egal, wessen Schuld das ist." Die Reaktion der Kunden werde schlicht sein: "Ich möchte nicht mehr mit Malaysia Airlines fliegen", prognostiziert der Analyst.
Harsche Kritik an der Flugroute
Bei einer Pressekonferenz mit Malaysias Transportminister Liow Tiong Lai wurden bereits kritische Stimmen laut: Die Fragen der Journalisten machten deutlich, dass es viele für einen Fehler halten, dass die Airline trotz der seit Monaten andauernden Kämpfe in der Ostukraine weiterhin über das Gebiet flog. Der Minister wies die Kritik zurück: Die Flugroute sei mit dem zuständigen Luftfahrtverband abgesprochen gewesen. Der Verband habe erklärt, "dass es keine Einschränkungen für den Luftverkehr in diesem Gebiet gab", sagte Liow.
Doch offenbar verließen sich nicht alle Fluglinien darauf. Korean Airlines teilte mit, bereits vor mehreren Wochen die Route von Flügen über die Ostukraine umgeleitet zu haben. Ähnliche Stellungnahmen kamen auch von der koreanischen Fluglinie Asiana und der australischen Fluggesellschaft Qantas. Mittlerweile ist der Luftraum über der Ostukraine gesperrt.