Blitzbesuch in Afghanistan: Obama rügt Karzai. | Angespanntes Verhältnis zwischen den Staatschefs. | Neu Delhi. Selbst die mitreisenden Journalisten mussten schweigen: Unter strenger Geheimhaltung landete US-Präsident Barack Obama am Sonntagabend in Bargram, mitten im Kriegsgebiet Afghanistans. Bei seinem nächtlichen Überraschungsbesuch lobte Obama den Einsatz der amerikanischen Soldaten gegen die aufständischen Taliban und mahnte gleichzeitig Afghanistans Präsident Hamid Karzai zur Bekämpfung der ausufernden Korruption und des Opium-Handels im Lande.
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Es ist Obamas erster Besuch am Hindukusch als Präsident. Wegen der problematischen Sicherheitslage war er im Schutze der Dunkelheit auf dem US-Militärstützpunkt Bagram im Süden Afghanistans gelandet. Von dort aus wurde er mit einem Hubschrauber direkt zum Präsidentenpalast in Kabul geflogen. Nach einer Unterredung mit Karzai und dessen Kabinett flog Obama nach Bagram zurück, um zum Abschluss seiner Visite vor etwa 2.000 Armeeangehörigen zu sprechen Der Blitzbesuch dauerte nur sechs Stunden.
Neben dem militärischen Erfolg der westlichen Truppen brauche das Land auch Fortschritt an der "zivilen Front", erklärte Obama und drängte auf mehr Engagement der Regierung bei der Bekämpfung von Korruption und Drogenhandel. Opiumanbau und -schmuggel gelten als Haupteinnahmequelle der radikal-islamischen Taliban, die damit den bereits acht Jahre währenden Krieg gegen US- und NATO-Truppen am Hindukusch finanzieren. Zudem ist Afghanistan eines der korruptesten Länder der Erde.
30-Minuten-Gespräch
Obamas Treffen mit Karzai währte nur etwa 30 Minuten. Die Beziehungen zwischen den beiden Staatschefs sind recht kühl. Die regelmäßigen Video-Konferenzen zwischen dem Präsidentenpalast in Kabul und den Weißen Haus in Washington wurden unter Obama abgeschafft. Nach den von Betrug überschatteten Wahlen im August erreichten die Beziehungen zwischen Karzai und Obama einen Tiefpunkt. Doch weil Karzai nach vielem Hin und Her im November erneut zum Präsident der afghanischen Republik bestimmt wurde, muss sich Washington im Moment mit dem Politiker arrangieren. Obama lud Karzai für den 12. Mai nach Washington ein.
Dennoch gibt es weiter große Widerstände in der Obama-Administration: Der amerikanische Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, bezeichnete Karzai in einem vertraulichen Schreiben, das der "New York Times zugespielt wurde, als "unzulänglichen strategischen Partner". Der Diplomat kritisierte die Verantwortungslosigkeit und Tatenlosigkeit der afghanischen Regierung.
In den 14 Monaten, in denen Obama Präsident ist, hat sich die Zahl der US-Soldaten am Hindukusch verdoppelt. Mit einer groß angelegten Militäroffensive versucht der Westen im Moment gegen Taliban-Hochburgen im Süden des Landes vorzugehen, um den Krieg doch noch erfolgreich zu wenden, bevor ab 2011 die USA mit dem Rückzug ihrer Truppen beginnt. Im März vor acht Jahren hatte der damalige Vizepräsident Dick Cheney vor US-Soldaten noch stolz erklärt, dass die Taliban "für immer zerstört" seien.