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1400 Institute öffnen in der "Langen Nacht der Forschung" ihre Tore.
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Wien. Sir Isaac Newton atmete in der Regel auf, wenn kein Student in seine Vorlesung kam. Für den englischen Physiker, der das Gesetz der Schwerkraft beschrieb, war ein leerer Hörsaal das Zeichen, dass er seine Experimente ungestört weiterführen konnte.
Lange definierten "echte" Wissenschafter ihre Arbeit rein über die Suche nach neuen Erkenntnissen. Die Lehre und die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit waren ihre Sache nicht. Dass morgen Freitag Wissenschafter aus ganz Österreich bis nach Mitternacht mit Gratis-Fachvorträgen, Führungen und spielerischen Programmpunkten für Kinder Einblick in ihre Arbeit gewähren, zeigt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Forschung gilt als tragende Säule des Wirtschaftswachstums und der Standortsicherung. Sie müsse gefördert werden, damit sie starten, sich entfalten, Arbeitsplätze schaffen und zu Produkten reifen könne, die die Volkswirtschaft vorantreiben. Das betonen Politiker aller Couleurs in regelmäßigen Abständen.
In der vergangenen Langen Nacht der Forschung 2010 besuchten geschätzte 100.000 Menschen 400 Institutionen. Heuer könnten es drei Mal so viele Besucher sein, die einen Eindruck davon gewinnen, was Wissenschafter tun - und was mit ihren Steuergeldern geschieht.
Doch wie kommen die Nachwuchsforscher, denen die Wirtschaft künftig einen maßgeblichen Teil ihres Wachstums zu danken haben könnte, in Österreich zu einer Karriere? Stehen ihnen alle Türen offen?
Immer mehr Projektarbeit
Die Antwort klingt nur auf den ersten Blick so positiv, wie die politischen Ziele für Forschung und Entwicklung es erwarten lassen würden. "Die Universitäten verzeichnen Steigerungen im wissenschaftlichen Personal vor allem aufgrund von Zuwächsen bei unter 34-Jährigen", sagt Andreas Schibany, Wissenschaftsökonom von Joanneum Research. Während 2002 diese Altersgruppe einen Anteil von 45 Prozent ausgemacht hatte, waren es 2009 schon 53 Prozent. Doch die Entwicklung hat eine Schwachstelle: "Diese Stellen werden nur zum Teil aus den Globalbudgets der Unis bezahlt. Der Anteil der über Drittmittel-Geber, wie den Wissenschaftsfond FWF, finanzierten Jobs ist stark gestiegen. Er umfasst 42 Prozent des Forschungspersonals an Unis", so Schibany.
Der FWF fördert in erster Linie wissenschaftliches Personal für Projekte in der Grundlagenforschung. Er ist eine der Hauptfinanzierungsquellen für all jene Forschungsprojekte an Universitäten, die die Basisfinanzierung nicht deckt. Im Vorjahr hat der FWF ein Rekordbewilligungsvolumen von 195,2 Millionen Euro erreicht und damit die Stellen von rund 1600 Doktoranden finanziert - mit Verträgen auf Zeit.
Matura, Studium, Doktorat, Assistenzstelle, Assistenzprofessor, Professor: Die klassische Akademikerkarriere ist zur Ausnahme geworden. An den Unis tummeln sich ordentliche, außerordentliche und Assistenzprofessoren, Drittmittelbeschäftigte, Projektmitarbeiter, externe Lektoren und Studienassistenten. Zahlreiche Hochschulreformen haben zu einem Nebeneinander unterschiedlicher Berufslaufbahnen und Beschäftigungsverhältnisse geführt, von denen die meisten ein Ablaufdatum haben. Jungforschern wird eine hohe Mobilität abverlangt auf der Suche nach neuen Stellen.
"Wissenschafter mit befristeten Arbeitsverhältnissen dürfen insgesamt maximal sechs Jahre bei Vollzeitarbeit und maximal acht Jahre bei Teilzeitarbeit an derselben Uni beschäftigt sein", erklärt Elke Park vom Institut für Hochschulforschung der Alpen Adria Universität in Klagenfurt. Sie können zwar an mehreren Projekten nacheinander forschen, aber nach dem Ablaufdatum müssen sie die Universität wechseln, selbst wenn sie ihr Institut gerne weiterbeschäftigen würde. "Es ist an sich schon prekär, von Projekt zu Projekt zu arbeiten. Wenn man aber viele Jahre bis zum Post-Doc durchläuft, ist das Missverhältnis noch größer", sagt Park. Ein 45-jähriger Post-Doc, der keinen neuen Job findet, hat es schwerer, den Beruf zu wechseln, als ein Unternehmensberater, der seine Firma satt hat.
"In der Wissenschaft gibt es ein grundsätzliches Problem, wenn es um die längerfristige Perspektive geht", erklärt FWF-Präsident Christoph Kratky. "Junge Forscher wissen nicht, ob sie gut genug sind für eine Dauerstelle, weil es ihnen niemand sagt. Zudem zählt hierzulande in vielen Fällen nicht nur die Qualifikation. Häufig wird jemand angestellt, der schon seit fünf Jahren da ist oder der dem Institutsvorstand nähersteht."
Sackgasse Mittelbau
Kratky fordert eine transparente Personalpolitik nach Qualitätskriterien, wie sie etwa am Vienna Biocenter oder am Institute of Science and Technology in Maria Gugging bereits praktiziert würde. "Das führt dann auch zu exzellenten Besetzungen", sagt der FWF-Chef. Und: "Wir benötigen keine Mittelmäßigkeit. Wenn eine Uni sieht, dass ein Jungforscher es nicht schaffen wird, sollte sie das rechtzeitig sagen, sodass klar ist wie in den USA, dass es um beinharte Selektion geht. Jemand, der sich allerdings zutraut, gut zu sein und das auch ist, dem sollte die Gewissheit angeboten werden, bleiben zu können." Derzeit verzichtet der FWF darauf, seine Gelder an Anstellungen der Forscher durch die Fördernehmer zu knüpfen. Die Unis wollen sich Flexibilität erhalten. "Seit der Entlassung in die Autonomie 2002/04 sind Uni-Mitarbeiter zwar nicht mehr beamtet. Doch die Unis sind zurückhaltend mit unbefristeten Neuanstellungen", sagt Elke Park.
Zusammen mit Hans Pechar von der Uni Klagenfurt hat sie an der Studie "Euroac - The Academic Profession in Europe" teilgenommen, die die Situation des Forschungspersonals in acht europäischen Ländern vergleicht. In Österreich wurde mit dem Kollektivvertrag 2009 nach dem amerikanischen "Tenure Track"-Modell (Laufbahnstelle) eine Permanenz auf Probe festgelegt. Idealerweise beginnt es mit einem finanzierten Doktorat und setzt sich mit Postdoc-Erfahrung im Ausland fort. Es folgt eine Assistenzprofessur, danach die Überleitung in ein dauerhaftes Anstellungsverhältnis als assoziierter Professor, danach die ordentliche Professur. Anders als in den USA ist diese in Österreich jedoch nur über ein Berufungsverfahren erreichbar. Eine Laufbahnstelle endet daher häufig im Mittelbau. Besonders akut ist die Situation in den Geisteswissenschaften, wo vielerorts bloß eine Professur pro Jahrzehnt frei wird.
Das ganze Programm der Langen Nacht der Forschung finden Sie hier.