Der Wirbel um Cristiano Ronaldos Ellbogen-Check im Spiel gegen den Iran bringt den Videobeweis erneut in Kritik.
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Einmal schon, im März 2017, hatte der ORF-Zuschauer das zweifelhafte Vergnügen gehabt, Kommentator Herbert Prohaska in Unterhosen in die Kameras lächeln zu sehen. Weil er gegen den Aufstieg des damals im Champions-League-Achtelfinale gegen PSG 0:4 hinten liegenden FC Barcelona gewettet hatte. Nun hat nicht viel gefehlt, und Prohaska hätte seine exhibitionistische Ader im ORF beinahe wieder ausleben dürfen - nur diesmal im WM-Studio, wo er noch vor den Gruppenspielen Spaniens (gegen Marokko) und Portugals (gegen Iran) am Montag auf einen fixen Aufstieg der Iberer getippt und neuerlich als Einsatz den freien Blick auf seine Boxer-Shorts angeboten hatte.
Nun, wer die Parallelspiele in der Gruppe B gesehen hat, weiß heute, wie knapp das Ganze wörtlich in die Hose hätte gehen können. Spanien wie Portugal waren offensichtlich nicht ganz auf der Höhe und holten anstatt vorausgesagter Kantersiege jeweils nur ein Remis, wobei die Furia Roja gegen die Maghrebiner sogar noch überraschend mit 1:2 in Rückstand geriet. Spannend wurde es aber auch in Saransk, wo die Iraner drauf und dran waren, dem amtierenden Europameister mit zwei Last-Minute-Toren das Ticket fürs Achtelfinale zu entreißen.
Ob das gerecht gewesen wäre, steht, angesichts der hohen Aggressivität und Emotionen, die auf dem Platz herrschten, auf einem anderen Blatt. Was schon in der Nacht mit einer Unsportlichkeit einiger iranischer Fans vor dem Hotelzimmer des portugiesischen Teams begonnen hatte, fand dann in der 80. Minute mit einem Check Cristiano Ronaldos gegen Morteza Pouraliganji einen unrühmlichen Höhepunkt, wobei weder der Real-Madrid-Star noch Schiedsrichter Enrique Cáceres samt Videostab eine gute Figur machten. Nur mit Mühe hatte sich nämlich der Paraguayer von den aufgebrachten Iranern zum Gang zum Bildschirm überreden lassen. Erst geschlagene 50 Sekunden (und ein Gespräch per Headset mit den Videoassistenten) später entschied er auf Gelb - und gegen einen Ausschluss Ronaldos.
Hätte der Iran nach dem Ausgleich zum 1:1 (vom Elfmeterpunkt) in der Nachspielzeit noch das 2:1 (durch Mehdi Taremi) fixiert, die Episode wäre vermutlich im allgemeinen Jubel (und Staunen) untergegangen. Aber so hagelt es heftige Proteste, Vorwürfe wurden und werden laut, Ronaldo sei nur aufgrund seines Promi-Status die rote Karte erspart geblieben. So ganz ist das freilich nicht von der Hand zu weisen. Ob hier allerdings die Schuld nur beim (unerfahrenen) Cáceres zu suchen ist, ist zu bezweifeln, spricht doch sein langes Zögern dafür, dass er vom Videoraum aus doch wesentlich beeinflusst wurde. Nachdem aber die Funkdialoge der Unparteiischen nicht öffentlich sind, werden wir es wohl nie erfahren. Und das ist auch besser so. Man stelle sich vor, was los wäre, wenn jedes Wort eines Schiedsrichters mitgeschnitten und auf die Waagschale gelegt würde. Der Betroffene stünde nicht nur unter hohem Druck, sondern ständig unter Generalverdacht und damit ohne jeden Vertrauensvorschuss da.
Solche Methoden, die darauf zielen, den Schiedsrichter quasi nur noch mit heruntergelassener Hose pfeifen zu lassen, gehen da doch zu weit. Auch wenn das ein Prohaska vielleicht amüsant finden würde.