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Nackte Haut und Uniformen -Das abenteuerliche Leben der Mata Hari

Von Sabine Glaubitz

Politik

Paris - Geräuschlos kamen sie den langen Korridor entlang, der zur Zelle Nr. 12 führte. Eine alte Wärterin öffnete die schwere Eisentür: "Der Präsident der Republik hat das Gnadengesuch abgelehnt. Ihre Stunde ist gekommen . . .": Damit war das Schicksal der Mata Hari, deren Geburtstag sich heute zum 125. Mal jährt, besiegelt.


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Mata Hari, mit bürgerlichem Namen Margaretha Geertruida Zelle, saß knapp acht Monate im Pariser Frauengefängnis Saint-Lazare, als sie die Hiobsbotschaft erreichte. Das Gesicht der 41-Jährigen war verwelkt. Aus der lebenslustigen und von der Pariser Männerwelt heiß begehrten Striptease-Tänzerin war eine alte Frau geworden. Am 15. Oktober 1917 wurde Mata Hari wegen Spionage zum Tode verurteilt. Damit begann ihre Legende - so undurchsichtig und trügerisch wie ihr Leben und ihre exotischen Schleiertänze. Ihr Tod als Agentin "H 21" ließ aus der am 7. August 1876 in Leeuwarden in den Niederlanden geborenen Margaretha eine legendäre Gestalt werden. Eigentlich hätte die Tochter eines holländischen Hutmachers Kindergärtnerin werden sollen. Ein Beruf, der ihrem lebenslustigen Charakter ganz und gar nicht entsprach. So antwortete die 17-Jährige auf die Heiratsannonce eines Kolonialoffiziers. Sie wurde Lady MacLeod und lebte einige Jahre mit ihrem Ehemann auf Java und Sumatra, wo sie die Kunst des asiatischen Tanzes erlernte. Nach etlichen Affären mit Offizieren trennte sich Margaretha von ihrem Mann und ließ sich 1905 in Paris nieder, wo sie unter dem Künstlernamen "Mata Hari", was übersetzt "Auge des Tages" bedeutet, als Tänzerin zu arbeiten begann.

In kurzer Zeit lag ihr das Paris der "Belle-Epoque" zu Füßen, das nach nackter Haut und Erotik lechzte. Salons feierten sie und der Geldadel fraß ihr aus der Hand. Im März 1905 organisierte der Industrielle Emile Guimet, Gründer des großen Pariser Asienmuseums, das seinen Namen trägt, ihr zu Ehren einen berauschenden Abend zwischen Buddhas und kostbaren Ikonen. "Ihre Gesten sind gewagt und keusch, sie macht sich Botschafter, Politiker und Industrielle untertan", schrieb die Presse damals.

Ihr Ruf reichte weit über Frankreich hinaus. Sogar Puccini und Massenet schwärmten von ihren lasziven Tänzen, über die die Schriftstellerin Colette einst schrieb: "Sie tanzte kaum... sie wusste sich verführerisch auszuziehen und ihren langen, dunkelbraunen, schlanken und stolzen Körper zu bewegen".

Der Erste Weltkrieg setzte der Karriere des Erotik-Stars ein vorzeitiges Ende. Die nicht mehr ganz taufrische Diva zog sich in ihr Heimatland zurück. Doch Paris, die Stadt der Lichter und des Luxus, fehlte ihr. Im Dezember 1914 kehrte sie in die Seine-Metropole zurück und bot ihre Dienste den Militärs im Grand-Hotel an. "Ich liebe die Offiziere" soll sie in einem Polizeiverhör gesagt haben. "Ich habe sie mein ganzes Leben lang geliebt. Ich bin lieber die Geliebte eines armen Offiziers als die eines reichen Bankiers". Ihre Leidenschaft für die Uniform wurde der Lebedame schließlich zum Verhängnis.

Die deutschen Truppen hatten in Artois und in der Champagne eine schwere Niederlage erlitten und suchten Agenten, um die feindlichen Offensivabsichten auszuspionieren. Mata Hari war dafür die ideale Besetzung: Bürgerin eines neutralen Landes, hochintelligent, sie sprach fünf Sprachen, Ex-Geliebte und Kurtisane hoher europäischer Offiziere und Diplomaten. Das hohe Spionagehonorar verlockte, und so arbeitete sie zuerst für die Deutschen, dann für die Franzosen. Doch das Resultat ihrer Arbeit blieb unverhofft mager. Aktenveröffentlichungen zufolge soll die mythenumwobene Meisterspionin keine wirklich wichtigen Informationen geliefert haben.

Die in die Jahre gekommene Tempel-Tänzerin wurde am 13. Februar 1917 im damaligen Hotel "Elysee-Palace" auf den Champs-Elysees verhaftet. Die Festnahme wurde in Paris wie ein großer Sieg gefeiert, denn Mata Hari galt als die gefährlichste Spionin Deutschlands. Am 15. Oktober um 06. Uhr 15 wurde ihr Tod festgestellt: Von den drei Kugeln, die sie trafen, ging eine mitten durchs Herz.