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Nagelprobe für Demokratie

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Schaffen es unsere demokratischen Institutionen, so fragte dieser Tage Paul Volcker in einem Interview, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um aus der Wirtschaftskrise wieder herauszufinden?


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Der ehemalige Vorsitzende der US-Notenbank und nunmehrige Berater von Präsident Obama stellt damit die alles entscheidende Frage: Sind unsere von Klientelinteressen und Massenmedien geleiteten Regierungssysteme überhaupt in der Lage, über den Tellerrand des kurzfristigen Vorteils zu blicken und schmerzhafte, aber unumgängliche Entscheidungen zu setzen, die dem Wohl des größeren Ganzen verpflichtet sind? Und zur Klarstellung: Dieses Gemeinwohl hat nichts mit den wie immer gearteten Bedürfnissen von politischen oder demographischen Minder- und Mehrheiten zu tun.

Der 82-jährige Volcker hatte dabei natürlich die beinharte Auseinandersetzung zwischen den regierenden Demokraten und den oppositionellen Republikanern in den USA im Auge, wo Staatsinteressen um den Preis parteipolitischer Vorteile willig geopfert werden. Vielleicht sollten nicht nur gewählte Politiker, sondern auch ihre Spin Doctoren einem Amtseid unterworfen werden, in dem diese geloben müssen, nur ihrem Gewissen und dem Gemeinwohl ihrer Nation verpflichtet zu sein.

Volckers Sorge vor der Reife unserer Demokratie im Angesicht der Krise ist auch für Europa berechtigt. In keinem Land ziehen Regierung und Opposition an einem Strang, um einer verunsicherten Bevölkerung zumindest das vage Gefühl zu vermitteln, die "da oben" wüssten schon um das Richtige, worin auch immer dieses besteht. Stattdessen verspricht auch hier, wer in der glücklichen Lage ist, derzeit keine Verantwortung tragen zu müssen, den Menschen das Blaue vom Himmel.

Ein Scheitern unserer liberalen demokratischen Institutionen bedeutet natürlich nicht den Rückfall in die dunkelsten Zeiten des 20. Jahrhunderts. Sehr viel wahrscheinlicher ist ihr Ersatz durch halb-autoritäre Strukturen mit der üppigen Unterstützung populärer Massenmedien.

P.S.: Angesichts dieser Fragen die aktuellen Vorgänge in der SPÖ-Kärnten zu kommentieren, käme einer Verharmlosung der weltpolitischen Lage gleich und wird hiermit unterlassen.