Bartenstein: Laut Eurostat knapp über dem Grenzwert. | Wifo: "Keine geeignete Definition." | Wien. Hat sich Karl Aiginger geirrt? Am Dienstag hatte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts jüngste Berechnungen vorgelegt, wonach das Ziel der Regierung "Vollbeschäftigung bis 2010" nicht erreicht werden dürfte. Vollbeschäftigung bezeichnet eine Arbeitslosenquote von unter 4 Prozent.
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Am Donnerstag präsentierte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein die neuen Arbeitslosenzahlen: 4,4 Prozent beträgt die Quote, 276.652 Personen waren per Ende Februar als arbeitslos beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet. Österreich liege also "gerade mal einen halben Prozentpunkt" über dem Grenzwert zur "Vollbeschäftigung", erklärte Bartenstein. "Die Statistik sieht wie erwartet gut aus, so gar sehr gut."
Allerdings verwies Bartenstein auf die Berechnung des Statistischen Amts der EU, Eurostat. Und demnach gilt jede Person, die eine Stunde in der Woche arbeitet, als Beschäftigter und wird somit nicht von der Arbeitslosenstatistik erfasst. "Ich würde daher die Eurostat-Methode nicht als geeignet für die Definition Vollbeschäftigung ansehen", sagt Wifo-Experte Marcus Scheiblecker.
Und auch wenn die Arbeitslosenzahlen zwar sinken - in erster Linie aufgrund der guten Konjunktur und des milden Wetters, das sich positiv auf die Baubranche auswirkt: Ökonomen betonen immer wieder, dass das Problem deshalb nicht gelöst sei. Teilzeit- und Leiharbeitsbeschäftigungsverhältnisse nehmen weiter zu, und nach wie vor ist die Zahl jener, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, hoch. Dem stehen fehlende Fachkräfte in manchen Bereichen gegenüber.
An allen Rädern drehen
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, werde man an allen Rädern drehen, sagte Bartenstein. "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott." Österreich sei schließlich keine "Insel der Seeligen" - es gebe einen intensiven Wettbewerb um Fachkräfte in Europa. "Nur weil wir welche wollen, heißt das nicht, dass wir sie auch bekommen."
Er werde zunächst an seinem Plan, 800 osteuropäische Schweißer, Dreher und Fräser nach Österreich zu bringen, festhalten und beruft sich dabei auf das Regierungsprogramm. Der entsprechende Verordnungsentwurf soll nach der Regierungsklausur am Wochenende und einer Besprechung mit den Sozialpartnern in Begutachtung gehen.
Doch davon abgesehen müssten Maßnahmen in der Lehrlingsausbildung ergriffen werden - etwa zusammen mit dem AMS. Was den Vorschlag Aigingers betrifft, die Förderprämie "Blum-Bonus" zu adaptieren, winkte Bartenstein ab: "Das hieße: Die guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen." Aiginger hatte vorgeschlagen, die Förderung für jene Branchen zu erhöhen, bei denen ein höherer Fachkräftebedarf abzusehen sei.