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Nähmaschine als Mittel gegen städtische Migration im Senegal

Von Annamaria Bokor

Politik

Seit 1996 läuft erfolgreich das Projekt "Chance durch Weiterbildung für junge Frauen im Senegal" in einer staatlichen Hauswirtschaftsschule in Ziguinchor, Regionshauptstadt der südlichen Region, Casamance, die seit 1995 keine staatlichen Unterstützung mehr erhielt.


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Ein Urlaub im Süden von Senegal an der Atlantikküste, persönliche Begegnung mit Menschen aus den Dörfern, bewegende und bleibende Eindrücke von einer zuvor wenig bekannten Welt. Dann, noch während der Rückreise im Flugzeug, kam der feste Entschluss, die Freuden und Leiden dieser Menschen teilen zu wollen. Aus der Idee eines einmaligen Kurses ist zwei Jahre nach dem erwähnten Urlaub ein Projekt geworden.

Oktober 1996: Am Eingang der Hauswirtschaftschule in Ziguinchor fehlen so viele Buchstaben, dass der Name der Schule nur schwer zu entziffern ist. Nachher tritt man in einen sorgfältig gepflegten, riesigen Obst- und Gemüsegarten ein. Wenn der Blick von dem idyllischen Garten auf die Gebäude weitergeht, fallen gleich die leeren Fensterrahmen auf. Aus den Klassen wurde alles Bewegliche, noch Verwertbare gestohlen, bis auf die Glühbirnen und Steckdosen. Auch die schäbigen Tische und Sesseln wurden stehen gelassen. Ein einziger, mit Gitter versehener Raum wird von einem Wächter nachts überwacht, wo die wenigen Nähmaschinen bis zum nächsten Schultag aufbewahrt werden. Jede Klasse muss dreimal pro Woche im Garten arbeiten. Ohne jegliche staatliche Unterstützung finanziert sich die Schule durch den Verkauf von rohem und verarbeiteten Obst und Gemüse, das im Schulgarten gezogen wird, selbst.

Ab Oktober 1996 bekam die erste, höchst motivierte Gruppe von Schülerinnen eine Weiterbildung. Nähmaschinen, Stoffe und Zubehör wurden angeschafft, gleichzeitig wurde mit der Verbesserung der Infrastruktur und der Sicherheit der Schule begonnen. Beim Abschied war die Euphorie von beiden Seiten grenzenlos. Nach dem viermonatigem Aufenthalt hat der Erfolg die Initiatorin überzeugt, dass dieses Projekt fortgesetzt werden muss.

Die Arbeit geht voran

Aus der durchaus erfolgreichen privaten Initiative ist Ende 1997 der Verein "AVANCE" geboren worden, der das Projekt seit 1998 organisiert und betreut. Neben Weiterbildung der Absolventinnen im Zuschneiden, Nähen und einfacher Buchhaltung, wurden auch die weitere Verbesserung der Infrastruktur, der Sicherheit und der Ausstattung der Schule, sowie Subvention und Kleinkredit für Ateliereröffnungen als Ziel vorgegeben. Die während der Weiterbildung hergestellten Modelle wurden im Rahmen von Modenschauen präsentiert. An der Weiterbildung nahmen bis jetzt 25 Absolventinnen teil. Parallel dazu erhielten die Fachkräfte ebenfalls eine Weiterbildung. Mit Hilfe von Subventionen und Existenzgründungsdarlehen sind zwei Ateliers 1998 und 2000 eröffnet worden, in denen 13 junge Frauen arbeiten und ihre erworbenen Kenntnisse an Lehrlinge weitergeben.

Aber nicht nur die Absolventinnen haben aus dem Projekt profitiert. Die Infrastruktur- und Sicherungsmaßnahmen haben im Leben der Schule grundsätzliche und nachhaltige positive Veränderungen mit sich gebracht. Färberei, Hühnerzucht und Restauration wurden in den Unterricht aufgenommen.

Durch Fotokopierer kann Unterrichtsmaterial an die Schülerinnen verteilt werden. Mit den gekauften Stoffen für das Schulatelier werden Produkte für den Verkauf hergestellt. Früher konnte man nur über die Bestellung von mitgebrachten Stoffen arbeiten. Das verarbeitete, getrocknete Obst und Gemüse bedeutet eine zusätzliche Einnahmequelle für die Schulkassa.

In Zahlen ausgedrückt: 41 Nähmaschinen wurden in Österreich gesammelt und in den Senegal geschickt, an denen in der Schule zahlreiche Reparaturen und Umbauten vorgenommen wurden: der Einbau von Metalltüren und Fenstergittern, der Austausch des elektrischen Systems, der Bau eines Obsttrockners und vieles mehr. Etwa 200 Schülerinnen kamen bis jetzt die positiven Veränderungen zugute. 360.000 Schilling private Spenden stecken in dem Projekt. Auch die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium wurde auf das Projekt aufmerksam und sagte im Vorjahr ihre Unterstützung im Rahmen einer Kofinanzierung zu.

Was man in Zahlen nicht ausdrücken kann: die ehrenamtliche Arbeit für Organisation, Vorbereitung und "Fundraising". Wo andere bei Betrachtung der Landkarte an Urlaub denken, heißt es für die am Projekt Beteiligten siebzig Stunden Arbeit in der Woche bei tropischen Temperaturen, die Bewältigung zwischenmenschlicher Konflikte kulturellen und sprachlichen Ursprungs, das Miterleben politischer Konflikte einer seit achzehn Jahren andauernder Unabhängigkeitsbewegung, mangelnde Infrastruktur für die Administration/Kommunikation, und gleichzeitig der Druck wegen den hohen Erwartungen eine Arbeit "auf europäischem Niveau" erbringen zu müssen.

Offizielle Anerkennung

Als offizielle Anerkennung des Unterrichtsministers hat die Direktorin 1999 eine hohe Auszeichnung bekommen. Der Präsident des Regionalrates der Region, Pascal Manga, und andere hohe Funktionäre haben sich lobend über die Zusammenarbeit ausgesprochen. Einige der Eltern der Absolventinnen waren jedoch misstrauisch, und deuteten das Existenzgründungsdarlehen, dessen Rückzahlungsraten die junge Frauen selbst bestimmen können, zuerst als Schuldenlast. Zwei Jahre nach der Eröffnung des ersten Ateliers, in dem die Absolventinnen selbstständig arbeiten, sind ihre Familien stolz auf die erhöhte gesellschaftliche Stellung der Gruppe in der Stadt. Die acht jungen Frauen arbeiten mit Begeisterung weiter und kommen ihren Kreditrückzahlungen regelmäßig nach.

Ohne dieses Projektes hätten viele von ihnen bestenfalls nach Dakar als Dienstmädchen gehen können.

Der Österreicher Dr. Ornauer, ehemaliger Geschäftsführer einer entwicklungspolitischen Organisation, hat geschrieben: "Der Verein ,AVANCE` hat bewiesen, dass es möglich ist, mit geringen Mitteln, aber großem persönlichen Einsatz ein erfolgreiches Projekt zu initiieren und weiterzuentwickeln."

Der Erfolg hat gewiss einen hohen Preis: die schwierige Umstellung alle paar Monate von einer sozialen auf eine an Konsum orientierte Gesellschaft, die mühsame Wiederaufnahme der selbstständigen Arbeit, der Verlust einiger Kunden und einiger Freunde. Und was steht auf der anderen Seite?

Das Erleben des gegenseitigen Respekts in allen menschlichen Beziehungen, die selbstverständliche Solidarität, die in Europa kaum mehr zu finden ist, die Herausforderung einer schwierigen Aufgabe, die Freude eines verwirklichten Traumes.

Nach insgesamt siebzehn Monaten in Ziguinchor plant der Verein "AVANCE" nun, ein ähnliches Projekt im Norden des Landes, in einer Stadt 70 km von Dakar entfernt, durchzuführen.

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Die Autorin ist Gründerin und Vorsitzende des Vereins "AVANCE".