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Nahost: Ende des Verhandlungstiefs

Von S. Lemel und H. Dahne

Politik

Sharm el Sheikh · Im Wechselbad der Hochs und Tiefs in den Nahost-Friedensverhandlungen scheint eine neue Krise vorerst beigelegt. Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak lud Israels | Ministerpräsident Ehud Barak und Palästinenser-Präsident Yasser Arafat in den Badeort Sharm el Sheikh ein, um wieder herzustellen, woran es derzeit wohl am meisten mangelt: Gegenseitiges Vertrauen.


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Die unterschiedliche Interessenslage brachte neue Bewegung in den Friedensprozess. Israel will mit der Einigung vor allem Zeit gewinnen.

Barak bemüht sich offenbar hinter den Kulissen intensiv um eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Syrien, die für ihn vorrangig sind. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass sich die

wachsende Unzufriedenheit in den Palästinensergebieten über den Stillstand im Friedensprozess in neuen Anschlägen der radikalislamischen Hamas-Organisation Luft machen könnte.

Außerdem tagen am Samstag die 22 Außenminister der Arabischen Liga - als Zeichen der Solidarität erstmals nicht in Kairo, sondern im Libanon. Die jüngste Einigung nimmt jener Fraktion den Wind aus

den Segeln, die immer wieder auf schärfere Formulierungen und ein Ende aller Normalisierungsbemühungen im Verhältnis zu Israel drängt.

Aus ägyptischer Sicht hat Mubaraks persönliche Intervention die Funkstille beendet. Er soll Arafat geraten haben, sich nicht in Details zu verbeißen, sondern das "große Ganze", das für den 13.

September geplante Friedensabkommen, im Auge zu behalten. Der israelischen Führung gab Mubarak per Interview im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" auf den Weg, dass Syriens Staatschef Hafez Assad sehr

genau verfolge, wie sich die Israelis den Palästinensern gegenüber verhalten und um die Durchführung von Abkommen "drücken". Assad wolle sich nicht so "herumschubsen" lassen, sondern absichern.

Die neue Einigung selbst lässt sich kaum als palästinensischen Erfolg auslegen. Im Grunde handelt es sich nur um eine leicht veränderte Version eines Vorschlags von Barak, den die Palästinenser

bisher immer abgelehnt hatten. Es soll nun doch zuerst ein vorläufiges Rahmenabkommen über eine dauerhafte Friedensregelung geben, das die Palästinenser lieber übersprungen hätten.

Die von Barak als "Gesten" dargestellten Zusagen, wie der Abzug aus weiteren 6,1 Prozent des besetzten Westjordanlands, die Öffnung der nördlichen "sicheren Verbindungsstrecke", die Freilassung von

Häftlingen und die Rückgabe von Steuergeldern an die Palästinenser sind in Wirklichkeit längst vereinbarte Teile vorheriger Abkommen. Israel ist der palästinensischen Bitte, auch Gebiete um Jerusalem

zu räumen, nicht nachgekommen. Über die dritte und letzte Abzugsphase aus dem besetzten Westjordanland werden beide Seiten ebenfalls wie von Barak gewünscht erst nach der Unterzeichnung eines

Rahmenabkommens im Mai verhandeln.

Schon bei der Erstauflage des Treffens in Sharm el Sheikh im September vergangenen Jahres hatten die Palästinenser sechs Zugeständnisse gemacht, um im Gegenzug einen klaren Zeitplan zu erhalten, der

dann nicht eingehalten wurde.

Ein Mini-Erfolg für die Palästinenser ist die Wahl Washingtons als Tagungsort für die in zwei Wochen beginnenden Gespräche. Die Palästinenser verlangen eine Gleichbehandlung wie die Syrer und

wünschen sich im Gegensatz zu Barak eine stärkere US-Vermittlung.

Die Palästinenser hatten kaum eine andere Wahl, als den "Kompromiss" zu akzeptieren: Wenn sie im September - mit oder ohne Friedensabkommen - ihren eigenen Staat mit internationaler Unterstützung

ausrufen wollen, müssen sie der Welt zuvor beweisen, dass sie sich ernsthaft um eine Einigung mit Israel bemüht haben.