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Nahost-Experte Bunzl: Verhandelt wird in erster Linie, weil die USA es so wollen.

Von Ines Scholz

Politik
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Israel und Palästinenser verhandeln wieder über Frieden


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Washington. Nach drei Jahren Funkstille soll wieder Bewegung in den Nahost-Friedensprozess kommen: Unter Vermittlung von US-Außenminister John Kerry trafen am Montagabend Israelis und Palästinenser in Washington zu neuen Friedensgesprächen zusammen. Sie sind zunächst für zwei Tage angesetzt. Bis zuletzt drohte der Start an der Weigerung der rechts-nationalen Regierung von Benjamin Netanyahu zu scheitern, als Vorleistung 104 der rund 5000 in israelischen Gefängnis einsitzenden palästinensischen Gefangenen freizulassen. Am Sonntag gab das Kabinett in Jerusalem nach heftigem Widerstand schließlich doch noch grünes Licht. Dass bereits diese Hürde fast schon zu hochgesteckt war, zeigt, vor was für einer schier unlösbaren Mammutaufgabe die beiden Verhandlungsparteien stehen. An offenen Streitfragen mangelt es nicht. Und die Chancen, dass diesmal, mehr als zwei Dekaden nach den ersten Friedensanläufen, der Durchbruch gelingen wird, scheint angesichts der verhärteten Fronten mehr als fraglich.

Vor allem in der Frage des Grenzverlaufs des künftigen Palästinenserstaates und der damit verbundenen Siedlungsproblematik liegen die Vorstellungen beider Konfliktparteien meilenweit auseinander. An ihr bissen sich schon mehrere Nahost-Friedensinitiatoren die Zähne aus, zuletzt US-Präsident Barack Obama im Herbst 2010.

Während die Palästinenserführung auf den Grenzen von 1967 als Verhandlungsgrundlage besteht und nur über einen minimalen Gebietsaustausch mit Israel zu verhandeln bereit ist, ist Israel entschossen, die riesigen Siedlungsblöcke, die es vor allem im fruchtbaren Westen des 1967 okkupierten Westjordanlandes aus dem Boden gestampft hat, dem Staat Israel zuzuschlagen und nur einige verstreute jüdische Wohnblöcke vornehmlich im Osten zu räumen. Die Hoffnungen der Palästinenser auf einen lebensfähigen, territorial zusammenhängenden Palästinenserstaat, wie ihn schon Obama-Vorgänger George W. Bush gefordert hatte, wären damit zerschlagen. Keine palästinensische Regierung, die politisch überleben will, könnte dem zustimmen. Die Führung in Ramallah will daher zunächst eine Lösung in der wichtigen Kernfrage, bevor die übrigen Streitpunkte aufs Tapet kommen. Das lehnte Israel knapp vor dem Treffen in Washington jedoch ab. Die Palästinenser hätten im Fall einer Einigung dann keine Anreize mehr, in anderen Bereichen Konzessionen zu machen, argumentiert Netanhayus Likudpartei.

Einsicht oder Gefälligkeit?

Wieviel Manövierspielraum Ministerpräsident Netanyahu und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas ihren Verhandlungsführern - Justizministerin Tsipi Livni und Saeb Erekat - letztlich zugestehen, hängt davon ab, wie ernst sie es mit ihren Friedensabsichten tatsächlich meinen. Barak Ravid von der links-liberalen Zeitung "Ha’aretz" sieht in der angekündigten Freilassung der Häftlinge ein klares Signal dafür, dass Israel an echten Fortschritten interessiert ist. Die Likud-Partei habe erkannt, dass ein weiteres Patt im Nahost-Konflikt zu einer strategischen Bedrohung für den Staat Israel werden könnte, weil es langfristig die Unterstützung der UNO und des Westens aufs Spiel setzen würde, was auch wirtschaftliche Folgen hätte, so Ravid. Er spielte dabei auch auf die jüngste EU-Direktive an, die EU-Fördergelder für israelische Projekte innerhalb der besetzten Gebiete untersagt.

Nahost-Experte John Bunzl sieht hingegen rein taktische Motive. "Der Grund für die Verhandlungen liegt in Washington. Die US-Regierung glaubt, wenn man Konzessionen an die Palästinenser macht, wird das eine segensreiche Wirkung auf die gesamte, instabile Nahost-Region haben", sagt Bunzl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Israel mache mit, weil es sich den USA als nützlicher, attraktiver und strategisch wichtiger Verbündeter präsentieren wolle. Doch "solange sich das Kräfteverhältnis nicht zugunsten der Palästinenser ändert, kann nichts Substantielles dabei herauskommen".