Thurmont - Nach zweiwöchigem Verhandlungsmarathon haben die Nahost-Friedensverhandlungen in Camp David ihren historischen Vorläufer-Gipfel der Dauer nach überrundet. Vor 22 Jahren brauchten die Regierungschefs von Israel und Ägypten, Menachem Begin und Anwar Sadat, 13 Tage bis zum Durchbruch. Diese Marke überschritten der israelische Ministerpräsident Ehud Barak und der palästinensische Präsident Jassir Arafat schon am Sonntag.
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Angesichts der komplexen Sachverhalte kommt die längere Verhandlungsdauer für politische Beobachter nicht überraschend. "Camp David I war ein Landhandel", sagt David Schenker vom Institut für Nahost-Politik in Washington. "Das war leicht." Damals erhielt Ägypten von Israel die Sinai-Halbinsel zurück und erkannte dafür im Gegenzug den jüdischen Staat offiziell an.
Die derzeitigen Verhandlungen sind viel komplizierter. Sie drehen sich nicht nur um Land, sondern auch um Kernfragen der Beziehungen zwischen Juden und Moslems, vor allem um den Status der heiligen Stadt Jerusalem. "Beide Seiten haben Anhängerschaften, die sich mit Zugeständnissen nicht abfinden werden", betont Schenker.
Der 58-jährige Barak trat mit dem Versprechen an, einen Friedensschluss zu erreichen, verlor aber vor seiner Abreise aus Israel die parlamentarische Mehrheit in der Knesset. Auf der anderen Seite steht Arafat, der kommenden Monat seinen 71. Geburtstag feiert und schon seit längerem Symptome der Parkinsonschen Krankheit zeigt wie Zittern von Händen und Lippen. Arafat, der von seinen Beratern absolute Loyalität verlangt, erscheint zeitweilig energisch und nervös, dann wieder erschöpft. Lebensziel des Politikers ist die Schaffung eines palästinensischen Staates. Aber Arafat muss nicht nur die Stimmung unter den Palästinensern berücksichtigen. Die gesamte arabische Welt blickt derzeit gespannt nach Camp David und scheint dabei einen auf Kompromissen beruhenden Erfolg ebenso zu fürchten wie ein Scheitern. Ägypten, Jordanien und Saudiarabien haben Arafat aufgefordert, sich in der Jerusalem-Frage keine Konzessionen abringen zu lassen. Politischer Zündstoff steckt auch in der Frage nach dem Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen, die vor allem in Jordanien, Syrien und Libanon leben. Falls Arafat in dieser Punkt Zugeständnisse einräumt, fürchtet der jordanische Politologe Labib Kamhawi eine Radikalisierung der Flüchtlinge.