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Die Demokratie unterstützen - dieser Ruf, so scheint es, ist derzeit der kleinste gemeinsame Nenner der ungezählten und doch so hilflosen Reaktionen auf die Umwälzungen in der arabischen Welt. Das klingt gut und steht noch dazu in Übereinstimmung mit unseren eigenen Werten. Was sollte man auch dagegen einwenden können?
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Nun, zum Beispiel, dass Demokratie die Existenz von Demokraten voraussetzt. Ob es solche in ausreichender Zahl in dieser Region tatsächlich gibt, darf mit einer gewissen Berechtigung bezweifelt werden. Der Westen selbst liefert den Beweis dafür, wenn er die einzigen demokratisch legitimierten arabischen Kräfte in der Region - die Hamas in Gaza, die Hisbollah im Libanon und den Schiiten-Block im Irak - erbittert boykottiert.
Was, wenn die künftige demokratische Regierung Ägyptens den Friedensvertrag mit Israel aufkündigt? Was, wenn dieselbe Regierung jede Kooperation mit dem Westen gegen islamistische Terroristen aufkündigt? Gut möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass es für beide Maßnahmen eine Mehrheit im Volk gibt.
Die demokratische Devise, wonach die Mehrheit immer recht hat, gilt nämlich nur, wenn diese Mehrheit sich der Grenzen ihrer Macht bewusst ist. Gegenüber der unterlegenen Minderheit und den berechtigten Interessen der internationalen Gemeinschaft. Ansonsten müssten sich die Friedensforscher wohl sehr bald von ihrer liebgewordenen These verabschieden, nach der Demokratien keine Kriege gegeneinander führen.
Wer diese Bedenken unbedingt als Plädoyer für die Unterstützung von - ohnehin dem Untergang geweihten - Autokraten missverstehen will, gibt sich einer naiven, typisch westlich-egozentrischen Illusion hin. Die Folgen im Fall des Scheiterns könnten desaströs sein.
Armut, Arbeitslosigkeit, ein Gefühl der eigenen kulturellen Minderwertigkeit und Unterdrückung unter der Mithilfe finsterer ausländischer Mächte: All das ergibt ein explosives Gemisch, das auch an der Wahlurne gezündet werden kann.
Demokratie ist zweifellos die beste aller Regierungsformen, und sie darf niemandem verwehrt bleiben. Ebenso wahr ist, dass sie mühsam erlernt werden muss. Wer wüsste das besser als wir Mitteleuropäer?