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Namenskarussell läuft bis zuletzt

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Bersani und Berlusconi sollen Marini die Unterstützung zugesagt haben.


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Rom. An den bisherigen elf Präsidentenwahlen hat Giulio Andreotti teilgenommen. Seine eigene Kandidatur scheiterte 1985 am Veto der KPI. Auch diesmal ist der - seit 1991 - Senator auf Lebenszeit und neben seinem Senatorenkollegen Emilio Colombo letzte noch lebende Vertreter aus der Verfassungsgebenden Versammlung unter den 1007 Mitgliedern der Wahlversammlung. Seine Familie schirmt den schwerkranken 94-jährigen aber seit Monaten vor der Öffentlichkeit ab. Dabei hätte der alte Politprofi sicher viel Spaß an dem hektischen Pokerspiel, das auch dieser Präsidentenkür vorausgeht.

Seit Mittwochmorgen liefen die Telefone zwischen den Hauptquartieren der Demokratischen Partei (PD) Pier Luigi Bersanis und der PdL Silvio Berlusconis heiß. Die am Dienstag bekanntgegebenen Resultate der Online-Vorwahl der 5-Sterne-Bewegung (M5S) Beppe Grillos beschleunigten die Dynamik vor dem Beginn der Präsidentenwahlen. Die rund 48.000 Wahlberechtigten des M5S hatten die RAI-Journalistin Milena Gabanelli in einer Stichwahl unter neun zuvor ausgewählten Kandidaten auf den ersten Platz gehievt - vor dem Gründer der Hilfsorganisation Emergency, Gino Strada, und dem angesehenen Juristen und Politiker Stefano Rodota, der in den frühen Neunzigerjahren für die in der PD aufgegangenen KPI-Nachfolgepartei PDS Vizepräsident des Abgeordnetenhauses war.

Gabanelli hatte nach einer Bedenkzeit am Mittwochnachmittag abgewunken, Strada ebenso, sodass schließlich Rodota als Kandidat feststand und Grillo bot Bersani ein mögliches Bündnis an, wenn die Mitte-Links-Koalition für Rodota stimmen sollte. Rodota genießt großes Ansehen auch bei der ökologischen Linken (SEL), Bersanis Koalitionspartner und auch in Kreisen der PD.

Bersani will eine breite Lösung für Präsidentenwahl

Bersani aber strebt weiter eine breite Lösung für die Wahl des neuen Präsidenten an. Als aussichtsreichste Kandidaten wurden am Mittwochvormittag die früheren Regierungschefs Giuliano Amato und Massimo D’Alema gehandelt - außerdem der Ex-Senatspräsident Franco Marini und als Außenseiter der Verfassungsrichter Sabino Cassese.

Am Nachmittag kamen dann Gerüchte in Umlauf, dass Bersani noch ein Ass im Ärmel haben könnte und im letzten Augenblick einen Überraschungskandidaten präsentieren wird.

Grillo verkündete jedenfalls in Hinblick auf die anhaltenden Gespräche des PD-Chefs mit der PdL in seinem Blog den endgültigen Bruch mit Bersani, dem er den "Selbstmord der Republik" vorwarf. "Die Wähler waren zwei: Er (Bersani) und der Psychozwerg (Berlusconi)", schrieb Grillo. "Berlusconi will nur einen Garanten für seine Prozesse. Ausgewählt wurden D’Alema und Amato. D’Alema, der Prinz des faulen Kompromisses, und Amato, der Ex-Schatzmeister von Craxi, sind die idealen Kandidaten", höhnte Grillo weiter.

Ein geplantes Treffen Bersanis mit M5S-Vertretern fiel angesichts dieser Attacken ins Wasser.

Chancen Romano Prodis werden immer geringer

Die Option, dass nach erfolglosen Bemühungen in den ersten drei Wahlgängen, in denen eine Zweidrittelmehrheit für die Wahl des Präsidenten notwendig ist, im vierten Wahlgang der frühere EU-Kommissionspräsident und zweimalige Premier Romano Prodi zum Zug kommen könnte, wird immer unwahrscheinlicher.

Das Mitte-Rechts-Lager hat sich seit Monaten auf ein Veto gegen Prodi festgelegt und das in den vergangenen Tagen verstärkt unterstrichen. Berlusconi selbst hatte am Wochenende betont, dass man bei einer Wahl Prodis das Land verlassen müsse.

Jetzt rückte auch die Zentrumsgruppe "Scelta Civica" des noch amtierenden Regierungschefs Mario Monti von dieser Lösung ab. Man habe zwar kein Problem mit dem Namen Prodi, meinte Parteikoordinator Andrea Oliviero, aber Romano Prodi werde es nicht schaffen, weil er keine breite Mehrheit hinter sich vereinigen könne. Seine Partei sei aber für einen Kandidaten, der auch die Zustimmung von Berlusconis PdL finde.

Die mit Berlusconi verbündete Lega Nord kündigte an, dass sie für einen eigenen Kandidaten stimmen würde, und zwar für eine Frau. Es wird erwartet, dass die Lega Nord die Kandidatin für die Bürgermeisterwahl in der Stadt Vicenza, Manuela Dal Lago, ins Rennen schicken wird.