Klingt paradox, funktioniert aber ausgezeichnet: Geowissenschafter suchen unterirdisches Wasser aus der Luft. Ein Beitrag zur Weltwasserwoche, die am vergangenen Montag in Stockholm begonnen hat.
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Sieben Uhr morgens in der Namibischen Savanne, 1.300 Kilometer von Windhoek entfernt: Der Hubschrauber der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) wird startklar gemacht. Die Crew, bestehend aus den deutschen Geologen Bernd Röttger von der BGR aus Hannover, dem Hubschrauberwart Josef Schwein vom namibischen Geological Service und dem Piloten Helmut Walter prüfen zum letzten Mal die Rotoren des Helikopters. Am Hubschrauber ist mit einem 40 m langem Kabel eine Mess-Sonde befestigt. Sie ist der ganze Stolz der "Water Hunters" (Wasserjäger), wie sie in Namibia genannt werden. Von hoch oben aus der Luft können sie mit dem Messgerät bis zu 150 Meter in die Erde hineinmessen und mögliche Grundwasserressourcen im Untergrund aufspüren.
Ziel der Mission ist es, versalzene Grundwasserleiter von Süßwasservorkommen zu unterscheiden. Obwohl der Nordosten Namibias und der angrenzende Caprivi-Streifen in die tropische, regenreiche Klimazone fallen, mangelt es an Süßwasser: Immer wieder treiben Dürreperioden die Farmer in den wirtschaftlichen Ruin. Die Besiedlung durch zugewanderte Bauern aus Krisenregionen wie Angola und Botswana hat den Süßwasserverbrauch für Ackerbau und Viehzucht in den letzten zehn Jahren um fast das Doppelte steigen lassen. Grund genug für die namibische Regierung, ein Gemeinschaftsprojekt mit den deutschen Geowissenschaftlern durchzuführen, das sich hauptsächlich mit der Jagd nach dem begehrten Nass beschäftigt.
Weil Salzwasser elektrisch leitfähiger ist als Süßwasser, sendet die 250 Kilogramm schwere Sonde, ähnlich wie ein Radiosender, elektromagnetische Signale unterschiedlicher Frequenz aus, die in den Erduntergrund eindringen und dort schwache Wirbelströme erzeugen. In der Sonde eingebaute Empfangs-Sensoren nehmen diese "Antwort" aus dem Erdreich auf. In der Zentrale in Windhoek kann dann bei der Auswertung der Daten ermittelt werden, wo es sich lohnt, nach Trinkwasser zu bohren.
"Die Vielzahl von Informationen, die flächendeckend während eines Fluges aufgezeichnet werden, ist mit keiner anderen Methode erhältlich. Außerdem ist die Messtechnik aus der Luft um vieles genauer, schneller und zuverlässiger als die bisherigen Messmethoden vom Boden aus", erklärt der Projektleiter Bernd Röttger.
Doch das Verfahren stellt hohe Anforderungen an den Piloten: Für zuverlässige Messungen muss ein konstanter Abstand der Sonde von 30 bis 40 Meter zum Boden eingehalten werden. Dies ist in der Hügellandschaft Namibias bei einer Fluggeschwindigkeit von 150 Kilometern pro Stunde nicht ganz ungefährlich.
Kein Auge für die Tiere
Verständlich, dass der Helikopterpilot kaum ein Auge für die Tierwelt der Savanne hat. "Die umhervagabundierenden Elefantenherden oder das Jagdverhalten der Löwen sind die Hauptattraktionen der Safaris. Bei meinen Rundflügen muss ich mich aber voll auf das Gelände konzentrieren", sagt Walter.
Am Boden angekommen erstellt die Arbeitsgruppe in nächtelanger Kleinarbeit eine Hydrogeologische Karte. Mit seinen namibischen Counterparts berät Röttger, wo genau die ersten Probebohrungen abzuteufen sind. Der zweite Teil der Unternehmung beginnt: Zusammen mit den namibischen Kollegen rattert Röttger im Jeep des örtlichen Geological Service durch die karge Steppe. Geleitet werden die Wassersucher von einem sattelitengestütztem Navigationssystem (GPS).
Entscheidend ist es, nun genau die Stelle zu finden, die die Geologen zuvor auf der Karte markiert haben. Denn Bohrungen sind teuer und in der Steppe sieht nun einmal alles gleich aus.
Ist die richtige Stelle gefunden, wird per Funk ein Bohrtrupp herbeigerufen. Die sogenannten Driller fangen nun zügig an, die Bohrgestänge aufzustellen. Der Bohrmeister bespricht mit den Auftraggebern vom Department of Water Affairs und den deutschen Experten die hydrogeologische Situation. Wichtig ist vor allem die anvisierte Bohrtiefe, in der die Geologen der BGR das lebensspendende Nass vermuten. Schon nach wenigen Stunden hat die Probebohrung die vorgegebene Tiefe erreicht. Und tatsächlich: aus dem Loch sprudelt Wasser. Nach den ersten Jubelrufen verfallen die Geologen in hektische Aktivität.
Eine neue Quelle
Die gut ausgebildete Crew des Department of Water Affairs hat ein Messgerät mitgebracht, dass die elektrische Leitfähigkeit des Wasser bestimmen kann, die wichtigen Aufschluss über die Qualität des gefundenen Wasser gibt. Nach zweitägigen Berechnungen kommen die Wasserjäger zu dem Beschluss, das Loch zu erweitern und einzurahmen. Dann installieren sie eine Pumpe, mittels der das Wasser je nach Bedarf gefördert werden kann. Die Farmer der anliegenden Dörfer in dem vom Stamm der Hereros besiedeltem Gebiet werden informiert und scharen sich binnen kurzem um die neu gefundene Quelle.