Vertrauensabstimmung am Freitag nach Schlappe bei Parlamentsvotum.
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Rom. Nachdem die Regierung Berlusconi am Dienstagabend bei der Parlamentsabstimmung über den Rechenschaftsbericht für das Jahr 2010 eine peinliche Niederlage erlitten hatte - mit nur einer Stimme Mehrheit wurde der Bericht abgelehnt -, setzt Italiens Präsident Giorgio Napolitano den Regierungschef unter Druck. Berlusconi solle klar sagen, ob seine Mehrheit noch regierungsfähig sei, betonte Napolitano am Mittwoch in einer Mitteilung aus der Präsidentschaftskanzlei.
Für die Niederlage der Berlusconi-Regierung gibt es nur zwei Präzedenzfälle: 1988 trat der christdemokratische Premier Giovanni Goria nach einer ähnlichen Niederlage zurück, einige Jahre später sein Parteikollege Giulio Andreotti.
Von den Bänken der Opposition forderten die Abgeordneten in lauten Sprechchören "Rücktritt, Rücktritt". Berlusconi verfüge über keine Mehrheit mehr im Parlament und sei nicht in der Lage, das Sparpaket umzusetzen, das seine Regierung verabschiedet hat.
Berlusconi hat aber keine Absicht zu demissionieren. Unmittelbar nach der Niederlage im Abgeordnetenhaus zeigte er sich fuchsteufelswild. Heute, Donnerstag, wird er eine Rede im Parlament halten und am Freitag stellt er sich einer Vertrauensabstimmung. Besonders wütend ist Berlusconi auf seinen Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, der an der verlorenen Abstimmung nicht teilgenommen hatte. Das Verhältnis des Premiers zu Tremonti ist seit Monaten eisig, einerseits wegen der Debatten um das Sparprogramm der Regierung, nicht zuletzt aber auch deswegen, weil der Wirtschaftsminister immer wieder als möglicher Nachfolger Berlusconis im Gespräch war.
Die parlamentarische Niederlage zeigt aber einmal mehr, wie porös die Koalition Berlusconis geworden ist. Erst am Dienstag hatte sich der Premier mit seinem ehemaligen Innen-und Industrieminister Claudio Scajola getroffen, der an der Spitze einer Gruppe von rund 30 Abgeordneten aus der Regierungspartei PdL steht, die Berlusconis Amtsführung offen kritisieren und auf den Rücktritt des Regierungschefs drängen. Man habe ein ehrliches Gespräch unter Freunden geführt, sagte Scajola nach dem Treffen, doch schließen Politbeobachter nicht aus, dass einige Dissidenten zum Sturz Berlusconis beitragen könnten. Immer mehr Kritik kommt auch aus den Reihen des Koalitionspartners Lega Nord. Besonders deren Basis hat immer weniger Verständnis für die Unterstützung Berlusconis.