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Napolitano stoppt Berlusconi-Dekret

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Bedingungen für Unterschrift sind für den Präsidenten "nicht vorhanden". | Berlusconi unter Druck der Lega Nord. | Wien/Rom. Der Versuch des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi, trotz Ablehnung der bikameralen Kommission des Parlaments das Dekret zum Steuerföderalismus mit der Regierungsmehrheit durchzupeitschen, scheitert an der Zustimmung von Staatspräsident Giorgio Napolitano. Die Bedingungen für eine Unterzeichnung des Dekrets seien nicht vorhanden, ließ Napolitano dem Regierungschef mitteilen.


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Der italienische Ministerrat hatte am Donnerstagabend im Eiltempo eine neue Version der Vorlage beschlossen, mit der die Gemeinden eine stärkere Autonomie bei der Eintreibung und Verwaltung von Steuern erhalten sollen. Zuvor hatte das Reformprojekt der Berlusconi-Regierung zur Steuerföderalisierung in der 30-köpfigen parlamentarischen Kommission nur 15 Stimmen bekommen. Ein Gleichstand gilt laut den internen parlamentarischen Regeln als Ablehnung.

Obwohl enge Mitarbeiter Berlusconi vor einem Durchpeitschen des Dekrets im Ministerrat gewarnt hatten, gab der Regierungschef letzten Endes doch dem Drängen seines Koalitionspartners Lega Nord nach, der seit 25 Jahren auf eine stärkere Föderalisierung drängt. Die Lega Nord hatte zuvor mit Neuwahlen gedroht, falls die Föderalismus-Dekrete abgelehnt werden.

Laut italienischen Presseberichten habe Lega-Nord Chef Umberto Bossi den Premier zur unverzüglichen Verabschiedung des Dekrets gedrängt. "Wir können nicht ein weiteres Monat warten, schon morgen verfolgen uns die Leute im Norden mit Mistgabeln", soll Bossi gesagt haben. Der Lega-Nord Chef steht selbst unter dem Druck seiner Parteibasis, die Berlusconi die Zusammenarbeit aufkündigen will, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Im Regionalsender Radio Padana äußerten sich Hörer nach dem Scheitern der Föderalismusinitiative in der Parlamentskommission am Donnerstagnachmittag zwei Stunden lang eindeutig - und der Tenor war, dass mit einem Premierminister Berlusconi keine Föderalismusreform möglich und es besser sei, sich von ihm zu trennen. Für viele Lega-Anhänger wäre Finanzminister Giulio Tremonti ohnehin die bessere Alternative im Amt des Regierungschefs.

Durchsuchungsbefehl von Mehrheit abgelehnt

Am gleichen Abend, an dem der Ministerrat das Föderalismusdekret durchpeitschte, lehnte die Regierungsmehrheit im Abgeordnetenhaus den Antrag der Mailänder Staatsanwälte ab, das Büro von Berlusconis Buchhalter, Giuseppe Spinelli, durchsuchen zu dürfen. Spinelli ist die Schlüsselfigur im Skandal um minderjährige Prostituierte und Sex-Partys im Haus Berlusconis. Er soll im Auftrag Berlusconis dutzende Prostituierte und Showgirls bezahlt haben, die an den Bunga-Bunga-Partys des Regierungschefs teilgenommen haben. In der Debatte über den Antrag behauptete ein Abgeordneter aus Berlusconis Partei neuerlich, der Regierungschef habe wirklich geglaubt, die minderjährige Prostituierte Ruby sei eine Enkelin des ägyptischen Präsidenten Mubarak, als er sich für deren Freilassung aus Polizeigewahrsam starkmachte. Die Opposition reagierte auf diese Erklärung mit heftiger Ironie.