Eine zu lange Arbeitssuche ist besonders bei älteren, insbesondere weiblichen, und jungen Erwachsenen problematisch.
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Es scheint ein Widerspruch zur aktuellen Entwicklung der Arbeitslosigkeit zu sein. Die Arbeitslosigkeit stieg in diesem August im Vergleich zu jenem des Vorjahres zwar bei Männern, Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft und im Haupterwerbsalter am meisten.
Trotzdem rücken Gertrude Hausegger, geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung Prospect, und Johann Bacher, Soziologe an der Johannes Kepler Universität Linz, andere Arbeitslose in den Fokus: Ältere ab 55 Jahren und junge Erwachsene - und sie haben gute Gründe dafür, warum die Regierung für diese Arbeitslosen zielgerichtet Maßnahmen schaffen sollte.
Ältere bleiben länger arbeitslos
Auch seit dem Shutdown ist die Arbeitslosigkeit bei jenen zwischen 25 und 50 Jahren stärker gestiegen als bei den Älteren. Die längerfristige Betrachtung zeigt allerdings, dass sich die Arbeitslosigkeit im Haupterwerbsalter mit der Konjunktur mitentwickelt und in den vergangenen Jahren wieder parallel mit besserem Wirtschaftswachstum abflachte.
Bei Arbeitslosen über 50, noch stärker bei über 55-Jährigen, "da scheint wirklich der Knackpunkt zu liegen", aber findet dieses Mitentwickeln so nicht statt. Im Gegenteil. Die Arbeitslosigkeit stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an: Waren 2009 noch rund 18.700 Männer und 7.700 Frauen über 55 im Jahresdurchschnitt arbeitslos, sind es zehn Jahre später bei männlichen Vertretern dieser Altersgruppe deutlich mehr als zwei Mal, bei den weiblichen fast drei Mal so viele.
Und: Ältere werden zwar seltener gekündigt; verlieren sie ihre Arbeit aber, dauert es deutlich länger, bis sie wieder eine neue Arbeitsstelle finden. Bei den Frauen 55 plus suchen 28 Prozent, bei Männern in diesem Alter 32 Prozent länger als ein Jahr nach Arbeit. Im Durchschnitt aller Arbeitslosen dauert die Suche nur bei 16 Prozent länger als ein Jahr, die "Wiener Zeitung" berichtete.
Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto mehr verfestigt sie sich. Je älter die Arbeitslosen, desto mehr spielen gesundheitliche Einschränkungen eine Rolle, aber auch Altersdiskriminierung bei vollkommen Gesunden dieses Alters. Das hat Folgen: Langzeitarbeitslosigkeit macht krank und verschlechtert die Reintegration in den Arbeitsmarkt deutlich. Frauenpensionen sind bereits heute nur halb so hoch wie jene von Männern. "Der Abbau dieser Arbeitslosigkeit ohne gezielte Interventionen ist ohnehin schwierig. Jetzt zuwarten und später erst mit Maßnahmen gegenzuwirken, ist außerdem viel kostspieliger und aufwendiger", stellt Hausegger fest.
Sie rät zu einer neuen Art von "Aktion 20.000". Dabei wurden von der öffentlichen Hand, insbesondere in Gemeinden Arbeitsplätze für Ältere geschaffen. "In der Corona-Krise erleben wir täglich Hinweise, wo bestehende Strukturen an ihre Grenzen kommen. In der Justiz, Schulen, der Pflege, dem Gesundheitswesen, überall da kann man gezielt Ältere wieder in den Arbeitsmarkt integrieren."
Arbeitslos direkt nach der Ausbildung
Neben den Älteren macht JKU-Soziologe Johann Bacher eine zweitere Gruppe aus, für die die politisch Verantwortlichen dringend Maßnahmen setzen sollten: für die 20- bis 24-jährigen Arbeitslosen. Vor einem Jahr suchten 35.000 dieser Altersgruppe nach Arbeit, heuer aber sind es 47.000.
Der Grund: "Man weiß aus ökonomischen Untersuchungen, dass Arbeitslosigkeit Narben hinterlässt", erklärt Bacher. Wenn sie in jungen Jahren lange - mit "lange" sind bei jüngeren sechs und nicht zwölf Monate, wie bei älteren Arbeitslosen gemeint - andauert, hat sie negative Auswirkungen auf die gesamte spätere Erwerbskarriere: Selbst wenn der Einsteig in den Arbeitsmarkt später dann doch gelingt, sind jugendliche Langzeitarbeitslose im Laufe ihres Lebens häufiger arbeitslos. Sie haben ein geringeres Arbeitseinkommen, "aber auch eine geringere Lebenszufriedenheit und mehr gesundheitliche Probleme".
Da all das nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft als Gesamtes problematisch ist, rät Bacher, jetzt zu intervenieren: mit Beratung, Weiterbildung und Umschulungen. "Viele Programme enden mit 18 Jahren, die könnte man sofort für die etwas älteren Arbeitslosen öffnen." Dazu schlägt er öffentliche Investitionen in den ökologischen und sozialen Umbau der Wirtschaft vor. Und: "Eine Arbeitszeitreduktion ist langfristig unvermeidbar - in Branchen, die von der Digitalisierung und Internationalisierung stark betroffen sind. Aber auch in der Pflege, um die Arbeit attraktiver zu machen."