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Nase als Eintrittspforte ins Gehirn

Von Alexandra Grass

Wissen
© StockAdobe/Alexander Limbach

Neurologische Symptome sind bei Covid-19 keine Seltenheit.


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In den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie konzentrierten sich die Mediziner hauptsächlich auf die Behandlung von Lungen- und Kreislaufschäden. Doch immer mehr häuften sich seither auch neurologische Symptome, die mit einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 einhergehen. Zwischen zehn bis 35 Prozent der Überlebenden könnten bleibende neurologische Störungen entwickeln, bezifferte der US-amerikanische Molekularbiologe Ali Nouri jüngst via Twitter.

Der Forscher nannte etwa Dysfunktionen des Nervensystems, Schlafstörungen aber auch kognitive Ausfälle. Auch im Fachblatt "Nature" berichten Wissenschafter von Desorientierung, Kopfschmerzen, Gehirnhautentzündungen und weiteren Veränderungen im Gehirn bei Covid-19-Patienten. Wie das Coronavirus überhaupt in diese Region gelangen kann, um dort erst Schäden anrichten zu können, haben nun Forschende der Berliner Charité herausgefunden. Als Haupteintrittspforte fungieren demnach die Riechsinneszellen.

Über diese und den Riechnerv wandern die Erreger bis ins Gehirn vor, wie nun ein Nachweis von Viruspartikeln und viralem Erbgut in den Nervenzellen der Riechschleimhaut und Teilen des Gehirns bestätigt. Dies zeige deutlich, dass sich das Virus über die Nervenbahnen ausbreiten kann, so die Forscher.

Verbreitung über Nervenbahn

Die in der Schleimhaut sitzenden Riechsinneszellen sind über Nervenbahnen direkt mit dem Riechkolben in unserem Denkorgan verbunden. Ob diese Eintrittspforte tatsächlich genutzt wird, haben die Wissenschafter um Jenny Meinhardt von der Berliner Charité durch mehrere Nachweisverfahren überprüft. So wurde untersucht, ob Sars-CoV-2 in den Schleimhäuten von Augen, Mund und Nase, dem Riechkolben und olfaktorischen Trakt beziehungsweise in weiteren Hirnteilen vorhanden ist.

Wie die Forscher berichten, haben sie Viren-RNA und Proteine des Erregers in mehreren Bereichen des Nasen-Rachenraums und des Gehirns nachgewiesen. Zuvor hatten Forscher um Benedict Michael von der University of Liverpool auch in Erwägung gezogen, dass die neurologischen Symptome auch auf eine Überstimulation des Immunsystems zurückzuführen sein könnten. Es ist wichtig, die Krankheitsmechanismen so genau wie möglich zu kennen, um eine Behandlung auswählen zu können.

Schon seit dem ersten Auftreten von Geschmacks- und Riechstörungen war klar, dass Coronaviren Symptomatiken auslösen können, die das Gehirn steuert. Bei mehr als zwei Dritteln der Covid-19-Patienten tritt diese Begleiterscheinung auf. Wie häufig andere neurologische Effekte sind, ist allerdings nicht bekannt. Die von Nouri genannten zehn bis 35 Prozent lassen einen großen Spielraum.

Ein Hauptproblem bei der Quantifizierung von Fällen besteht darin, dass sich klinische Studien in der Regel auf Personen mit Covid-19 konzentriert haben, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden beziehungsweise eine Intensivpflege benötigten. Die Prävalenz neurologischer Symptome könnte in dieser Gruppe "mehr als 50 Prozent" betragen, erklärt die Neurobiologin Fernanda De Felice von der University of Rio de Janeiro.

Die Dauer ist unklar

Es gibt allerdings viel weniger Informationen über Personen mit leichten Erkrankungen oder ohne Symptome. Aufgrund dieser Datenknappheit sei es schwierig, herauszufinden, warum manche Menschen neurologische Symptome haben und andere nicht. Es sei auch unklar, ob die Auswirkungen anhalten werden. Covid-19 kann andere gesundheitliche Auswirkungen haben, die monatelang anhalten, und verschiedene Coronaviren haben bei einigen Menschen jahrelang Symptome hinterlassen, heißt es dazu in "Nature".