Die Kommunalwahlen, die am Sonntag in Bosnien-Herzegowina stattfinden, sind die ersten seit der Unabhängigkeit 1992, die vollständig von den örtlichen Behörden finanziert und organisiert werden. Gleich blieb freilich der Wahlkampf in den 142 Gemeinden: Nicht kommunale Fragen, sondern nationale Belange standen im Mittelpunkt.
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"Leider ist zu befürchten, dass die nationalen Parteien erneut eine wichtige Rolle spielen werden", glaubt der stellvertretende Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, Werner Wnendt.
Einiges deutet aber darauf hin, dass zumindest in dem kleineren der beiden Landesteile, in der Republik Srpska, die Nationalisten an Boden verlieren könnten. Das slowenische Institut für Nahost- und Balkanstudien (IFIMES) hat erhoben, dass die nicht-nationalistische Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) des ehemaligen bosnisch-serbischen Ministerpräsidenten Milorad Dodik mit 17,6 Prozent die regierende Serbische Demokratische Partei (SDS) auf den zweiten Platz (15,3 Prozent) verweisen könnte. In der Hauptstadt Banja Luka scheint sich überhaupt ein überzeugender Erfolg des SNSD-Kandidaten anzubahnen. Erstmals werden die Bürgermeister direkt gewählt.
In der bosniakisch-kroatischen Förderation können hingegen die nationalistischen Vertreter der beiden Volksgruppen, die bosniakische (moslemische) Partei der Demokratischen Aktion (SDA) und die Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ), damit rechnen, die stärksten Parteien zu bleiben. Allerdings dürften in einigen Gemeinden Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei (SDP) und der Partei für Bosnien-Herzegowina (SBiH), die sich beide als nicht-nationalistisch verstehen, die Mehrheit erobern.
Ob solche Umschwünge im Kleinen auch auf eine Haltungsänderung der Bevölkerung im Großen hindeuten, darf bezweifelt werden. "Die Menschen haben den Nationalismus satt", glaubte SDP-Chef Zlatko Lagumdija schon nach den Kommunalwahlen vor vier Jahren jubeln zu können, die einige Erfolge für seine Partei gebracht hatten. Zwei Jahre später führten die Parlamentswahlen allerdings zur Rückkehr der moslemisch-nationalistischen SDA, die Wahlgemeinschaft "Allianz für den Wechsel" von SDP und SBiH zerbrach.
Dayton-Vertrag in Diskussion
Siebzig politische Parteien, 18 Koalitionen und eine ganze Reihe unabhängiger Kandidaten stellen sich am Sonntag der Wahl, die von 240 OSZE-Beobachtern überprüft wird. Schon dies deutet auf das fragile Gleichgewicht in dem von der Republik Srpska und der bosniakisch-kroatischen Förderation gebildeten Staat hin, der durch den Dayton-Friedensvertrag im Dezember 1995 entstanden war.
Das Dayton-Abkommen geriet erst unlängst wieder in Diskussion: Der Vorsitzende des Staatspräsidiums, Sulejman Tihic, sprach sich für eine Verfassungsreform aus: Das Friedensabkommen behindere Bosnien auf dem Weg in die NATO und die EU. Beifall bekam er dafür vom kroatischen Präsidenten Stipe Mesic, ebenso wie der Präsident der Republik Srpska, Dragan Cavic, vom serbischen Regierungschef Vojislav Kostunica bei seiner prompten Ablehnung des Vorstoßes unterstützt wurde. Cavic und Kostunica warnen vor einer Destabilisierung der Region.
International wird allerdings weniger das institutionell schwach ausgebildete Staatengebilde, sondern die mangelnde Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als störend empfunden. Insbesondere die Republik Srpska, die seit Kriegsende keinen einzigen Kriegsverbrecher festgenommen hat, und das benachbarte Serbien ist hier gefordert. Immerhin haben auch die Präsidenten der beiden Republiken, Cavic und Boris Tadic, dies unlängst als "Schlüsselfrage" bezeichnet. Die beiden bosnisch-serbischen meist gesuchten Kriegsführer Radovan Karadzic und Ratko Mladic bleiben aber weiter verschwunden.