Premier Siniora unter Druck. | Hisbollah und Aoun wollen andere Regierung. | Beirut. Fuad Siniora lehnte alle Rücktrittsgesuche ab. "Ich bin der Premierminister aller Libanesen", sagte der seit Wochen mit Forderungen nach Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit" konfrontierte Sunnite kürzlich in seinem Regierungssitz. "Die Libanesen sind glücklich mit dieser Regierung", so der 63-jährige. "Es wird keine Änderungen geben."
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Auch der sunnitische Vorsitzende der antisyrischen Parlamentsmehrheit, Saad Hariri, wies die vor allem von Angehörigen der schiitischen Hisbollah und deren christlichen Verbündeten, des katholisch-maronitischen Vorsitzenden der Freien Patriotischen Bewegung, Michel Aoun, erhobenen Forderungen zurück. Zwei Monate nach Ende des Libanon-Krieges jedoch sind die Brüche zwischen den rivalisierenden Blöcken kaum noch zu kitten. Während des 34-tägigen israelischen Bombardements hatten sich die antisyrischen Kräfte um Siniora, Hariri und den Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei, Walid Jumblatt, einmütig hinter die von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführte Hisbollah gestellt.
Der Krieg schuf ein Stillhalteabkommen
"Nationale Einheit" lautete die Devise - obwohl die von Hisbollah-Milizionären ausgeführten Gefangennahme zweier israelischer Soldaten am 12. Juli den Krieg erst ausgelöst hatte. Vertreter der prosyrischen "Partei Gottes" hielten sich mit Kritik an den antisyrischen Kräften ebenfalls zurück.
Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach Ende des Krieges beendete Nasrallah das Stillhalteabkommen. Auch wenn seine Parteimiliz mit zwei Ministern im Kabinett Siniora vertreten ist, griff er die Regierung vor Hunderttausenden Anhängern am 22. September scharf an. "Die aktuelle Regierung ist nicht in der Lage, den Libanon zu schützen, ihn wiederaufzubauen oder zu vereinigen", erklärte er in Berut. "Ein starker Staat" könne nur durch "Bildung einer nationalen Einheitsregierung" geschaffen werden.
Ins gleiche Horn stieß der katholisch-maronitische Exgeneral Michel Aoun nur Tage später. Im Februar hatten die beiden Parteichefs einen spektakulären Pakt unterzeichnet, der das stark von Klientelbeziehungen und konfessionelle Zugehörigkeiten geprägte politische System des Libanon auf den Kopf stellte.
Mit dem Bündnis sicherte sich Aoun die Unterstützung der Hisbollah bei seiner bei den Präsidentenwahlen im Herbst nächsten Jahres erwarteten Kandidatur. Und die Hisbollah verfügt erstmals über einen starken christlichen Bündnispartner.