Regionalwahlen im Baskenland und Galicien könnten Gespräche zur Bildung einer Zentralregierung in Spanien beeinflussen.
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San Sebastián/Donostia. Seit nunmehr neun Monaten ist Spanien politisch gelähmt. Die Parlamentswahlen im vergangenen Dezember hatten zu einem Patt zwischen den politischen Lagern geführt, die auch Neuwahlen Ende Juni nicht lösen konnten. Über die mangelnde Dialogbereitschaft der Parteien schütteln die Spanier nur noch den Kopf. Der Frust über einen möglichen dritten Urnengang am 25. Dezember ist groß.
Doch für Iñigo Urkullu, Ministerpräsident des Baskenlandes und Chef der konservativ-nationalistischen Baskenpartei PNV, ist die politische Hängepartie in Madrid ein wahrer Segen. "Ich habe kein Verständnis für ideologische Grabenkämpfe zwischen Links und Rechts in einer Situation, in der man sich einigen muss. Wir baskischen Nationalisten haben uns hier mit allen geeinigt, wenn es notwendig war. Zum Wohl der Basken", versicherte Urkullu diese Woche auf einem Wahlkampfmeeting in der baskischen Küstenstadt San Sebastián.
Tatsächlich fand Urkullu mit den anderen Parteien immer zu einer pragmatischen Lösung und Koalitionen, vor allem wenn es darum ging, die baskische Autonomierechte in Madrid zu verteidigen.
Urkullus Strategie scheint aufzugehen. Am kommenden Sonntag dürften seine Nationalisten laut jüngster Umfragen mit 36,7 Prozent erneut stärkste Kraft im Baskenland werden. Um die zweite Position streiten sich die separatistischen Linksradikalen von EH Bildu und die linke Protestpartei Elkarrekin Podemos. Weit abgeschlagen sind hingegen die in Madrid dominierenden Konservativen und die Sozialisten (PSOE).
"Urkullu weiß die Gunst der Stunde zu nutzen. Geschickt verkauft er sich als Antipode zu den Madrider Politikern und Garant für Stabilität und Sicherheit", erklärt María Silvestre, Politologin an der baskischen Deusto-Universität in Bilbao. Damit sich die politische Instabilität und Unsicherheit in Spanien so wenig wie möglich auf das Baskenland auswirken, solle man ihn wählen, erklärt Urkullu immer wieder.
Dass nicht wenige Wähler darauf anspringen, kann selbst Borja Semper nachvollziehen. "Ich kann den Frust vieler Spanier verstehen, die nicht begreifen, warum sich die beiden großen Volksparteien in Madrid nicht auf eine Regierungsmehrheit einigen können", meint der Kandidat der konservativen Volkspartei in der baskischen Provinz Gipuzkoa.
Dennoch warnt er vor einer zu überwältigenden Mehrheit von PNV, EH Bildu und Elkarrekin Podemos im Regionalparlament. "Diese Parteien sprechen sich klar für das Selbstbestimmungsrecht und teils auch für die Loslösung des Baskenlandes von Spanien aus und wir haben in Katalonien gesehen, wohin das führt", meint Semper.
Zwar ist seine in Spanien regierende Volkspartei nicht weniger schuld an der politischen und juristischen Schlammschlacht zwischen Madrid und Barcelona als die katalanischen Separatisten. Dennoch glaubt er, dass die baskische Regionalregierung nicht den "katalanischen Konfliktweg gehen sollte". Der Grund: "In Katalonien haben wir gesehen, wie die separatistischen Politiker die zuvor ausschließlich politischen Spannungen auf die Bevölkerung übertrugen. Die politischen Ziele einiger Parteien haben in Katalonien nun auch die Bevölkerung in zwei miteinander konfrontierte Blöcke gespalten. Das darf hier nach 40 Jahren ETA-Terror und in einer Phase, in der wir gerade wieder zueinanderfinden, nicht auch im Baskenland passieren."
Doch die gemäßigten Nationalisten und die radikal separatistische EH Bildu halten sich mit aggressiven Unabhängigkeitsforderungen auch bewusst zurück. "Diese werden von den meisten Basken heuer mit der Gewalt der Terrororganisation ETA verbunden. So konzentrieren sich beide Parteien darauf, ihre Forderungen nach einem verbesserten Autonomiestatut und das Recht der Basken auf Selbstbestimmung mit den wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen zu verbinden", erklärt Politologin María Silvestre.
Diese Strategie scheint die Sorgen der Basken tatsächlich gut widerzuspiegeln. Laut jüngster Studie fordern zwar nur 18 Prozent der knapp zwei Millionen Basken derzeit die Unabhängigkeit. Doch sprechen sich 64 Prozent dafür aus, dass sich die Partei, die am Sonntag als Sieger aus den Regionalwahlen hervorgeht, in Madrid vehementer für ein neues Autonomiestatut mit mehr Rechten starkmachen soll.
Deshalb schauen Spaniens Politiker derzeit gespannt ins Baskenland, aber auch nach Galicien, Heimat des amtierenden konservativen Premier Mariano Rajoy, wo am Sonntag ebenfalls Regionalwahlen stattfinden. Die beiden Wahlen könnten eine nicht unwichtige Rolle spielen, um etwas Bewegung in die vollkommen festgefahrenen Gespräche zur Bildung einer Zentralregierung in Madrid zu bringen.
Rajoy kann auf Heimat zählen
Während den Konservativen in Galicien eine absolute Mehrheit winkt, was Rajoy Rückhalt bei seiner Kandidatur zum neuen Ministerpräsidenten Rückhalt verschaffen kann, dürfte das in Galicien wie im Baskenland zu erwartende Wahldebakel der Sozialisten ordentlich am bereits wackeligen Stuhl von dem sozialistischen Oppositionsführer Pedro Sánchez rütteln.
Andererseits kann ein Wahlsieg der baskischen Nationalisten wiederum Sánchez zugute kommen, da die PNV in allen drei baskischen Provinzhauptstädten mit der Unterstützung der Sozialisten regiert. Nach den Regionalwahlen könnte die PNV mit ihren fünf Abgeordneten eventuell eine sozialistische Minderheitsregierung unterstützen.