Abkehr von der Grenzenlosigkeit aus Furcht vor Wählern. | Dominique de Villepin war dem US-Wochenmagazin "Newsweek" diese Woche gar das Titelbild wert. Der französische Premierminister sei Anführer einer neuen Welle von Protektionismus in Europa, schrieb das Blatt und ließ einen US-Wirtschaftsprofessor "Neo-Nationalismus" diagnostizieren.
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In der gleichen Ausgabe folgt ein Artikel über die amerikanische Form des Protektionismus: Die Übernahme amerikanischer Häfen durch eine Gesellschaft aus Dubai scheiterte an einer breiten Front jener, die vorgeblich wegen Terrorgefahr besorgt waren.
US-Präsident George W. Bush beklagte in diesem Zusammenhang nicht nur das falsche politische Signal an die wohl modernste arabische Nation, sondern auch die Wende hin zu isolationistischem Gedankengut. Sein erneuertes Bekenntnis zum freien Handel scheint ihm aber im Ernstfall wenig zu nutzen - auch der Einstieg von Chinesen bei einem der weltweit wichtigsten Energielieferanten war am Widerstand des Kongresses gescheitert.
Schon als die japanische Wirtschaft boomte, wurde der "Ausverkauf" der amerikanischen Wirtschaft sogar zum Thema von Hollywood-Filmen. Die Rolle der Japaner wird nun beispielsweise von China übernommen. Nicht nur die Europäische Union, auch die USA suchen ihre Märkte von dort billig erzeugten Produkten wie Textilien und Schuhen abzuschotten.
Während sich die Führer der Industrienationen im Rahmen der Welthandels-organisation (WTO) zu den Maximen des freien Handels bekennen, kommen sie in ihren eigenen Ländern unter Druck. Dort nämlich, speziell in Europa, hat man mit Massenarbeitslosigkeit zu kämpfen. Die Skepsis gegenüber der neuen Weltwirtschaft macht sich nicht nur durch Kundgebungen von Globalisierungsgegnern, sondern auch an den Wahlurnen bemerkbar.
Vor allem die Ablehnung der EU-Verfassung bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden wurde als Signal gewertet, dass die Bürger durch die Auswirkungen der Globalisierung verunsichert sind.
Die EU-Erweiterungspolitik vollzog daraufhin einen Schwenk. Nun wird die - oft mit unangenehm chauvinistischem Beigeschmack daherkommende - Angst um den Arbeitsplatz umgesetzt in ein Kriterium der "Aufnahmefähigkeit" der Union, die umstrittene Dienstleistungsrichtlinie wurde entschärft.
Kommentatoren sehen in den Volksabstimmungen auch den Auslöser für die Rückkehr zu einer auf das eigene Land konzentrierten Wirtschaftspolitik - auch wenn dadurch bei internationalen Firmenübernahmen oft nur die möglichen Partner ausgetauscht werden. Wenn beim EU-Gipfel kommende Woche über die Zukunft der Wirtschaft debattiert wird, werden diese Themen aber wohl nicht zur Sprache kommen.