Die Regierung will ein "freies Spiel der Kräfte" in Vorwahlzeiten zumindest reglementieren - von SPÖ und FPÖ kommt eine klare Absage.
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In Vorwahlzeiten kann es im Parlament turbulent werden. Und damit sind nicht nur heftige Debatten gemeint. Vielmehr kann es zu Beschlüssen von Gesetzesentwürfen kommen, die nicht wie sonst durch Ministerien ausgearbeitet und von einer Regierung koordiniert werden. Sondern es sind Vorhaben, die von wechselnden Mehrheiten beschlossen werden - das sogenannte "freie Spiel der Kräfte". Es kann dem Staat teuer kommen.
Der Fall tritt freilich selten ein. 2008 ist es passiert, als die rot-schwarze Koalition zerbrach, sowie im Vorjahr, nachdem sich die FPÖ aus der Regierung zurückgezogen hatte. Die damals gefällten Beschlüsse schlagen sich heuer mit rund zwei Milliarden Euro im Budget nieder, wobei der Großteil davon auf die Pensionsanpassungen und die Neuauflage der Hacklerregelung entfällt. Wechselseitig beschwerten sich die Parteien über die Initiativen, jede Partei stimmte aber bei irgendeiner Initiative mit.
Die türkis-grüne Bundesregierung will dies für die Zukunft nun in ein Regulativ einbetten und unterbinden. Unter Einbeziehung aller Parlamentsklubs sollen laut Regierungsprogramm "Maßnahmen geprüft werden, um in Vorwahlzeiten nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln im Parlament sicherzustellen und die üblichen Prozesse im Gesetzgebungsverfahren einzuhalten".
Das kann viel sein. Klar ist: Ein Verbot solcher Beschlüsse wird es nicht geben. Dafür wäre eine Verfassungsmehrheit notwendig, Türkis-Grün bräuchten also die Stimmen von FPÖ oder SPÖ. Beide winken aber ab. Die Neos wären zwar dafür, können den Regierungsparteien aber keine Zwei-Drittel-Mehrheit besorgen.
"Wir sind gegen jede Selbstbeschränkung des Parlaments", heißt es vom FPÖ-Klub. Ähnlich die SPÖ, der Klub schreibt auf Anfrage der "Wiener Zeitung": "Es wäre unverständlich, wenn sich der Gesetzgeber selbst in seinen eigenen Gestaltungsmöglichkeiten beschneiden würde." Die SPÖ verweist auch auf Beschlüsse wie den Nichtraucherschutz, die Erhöhung des Pflegegeldes und den Papamonat.
Auch der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk ist skeptisch: "Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist das wohl nicht zu lösen. Sondern nur durch entsprechende Disziplin und Kultur", sagt Funk.
Ein möglicher Weg wird im Regierungsprogramm aber sehr wohl skizziert. Zu lesen ist der Befund, dass "Beschlüsse mit langfristiger Auswirkung auf das Bundesbudget" gefasst wurden, "ohne dass diese den regulären Prozess einer Begutachtung durchlaufen sind". Eine Begutachtung von Entwürfen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sie ist nur eine Usance. Deren mutmaßlich mangelnde Einhaltung durch Türkis-Blau wurde von der Opposition oftmals kritisiert.
Verpflichtende Begutachtung als möglicher Weg
Eine Option wäre, die Begutachtung verpflichtend zu machen. Dann wären Beschlüsse in Vorwahlzeiten nicht verboten, sehr kurzfristige aber durch das verpflichtende Einhalten einer Begutachtungsfrist de facto unmöglich. Ein solches Begutachtungsgesetz bräuchte keine Verfassungsmehrheit, sagt Parlamentsexperte Werner Zögernitz. Verfassungsrechtler Funk bestätigt das. "Möglich wäre es", sagt er. "Ich frage mich aber, ob es sinnvoll ist." Er hält eine derartige Selbstbeschränkung für ein "Armutszeugnis für die Politik". Dazu kommt: Selten, aber doch, können Situationen eintreten, die rasche Beschlüsse des Nationalrats erfordern. Irgendeine Ausnahme müsste man also ins Gesetz schreiben, die dann durch eine Mehrheit stets in Vorwahlzeiten angewandt wird? Es wäre nichts gewonnen.
Was genau ÖVP und Grüne hier planen, war bis Redaktionsschluss nicht zu erfahren. Der ÖVP-Klub verwies auf die "zuständigen Minister", die "gegebenenfalls Details erarbeiten und zeitgerecht präsentieren" werden. Der grüne Klub antwortete auf mehrmalige Anfrage nicht.