Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Christian Kern versucht mit den Oppositionsparteien ein "Arbeitspaket" im Nationalrat zu schmieden, und so die Neuwahlgelüste der ÖVP zu unterlaufen. | Sollte das das funktionieren, haben Sebastian Kurz und die Volkspartei ein gravierendes Problem.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Sebastian Kurz will - wenig verwunderlich - Neuwahlen und verlangt von der ÖVP viel Beinfreiheit, sollte er dort den Pilotensitz übernehmen. Das wird ihm die Volkspartei am Sonntag gewähren, sie hat keine Alternative.
Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern reagiert darauf mit einer schlauen Idee. Er lotete bei den Oppositionsparteien die Bereitschaft aus, einige der offenen Punkte im Regierungsprogramm im Nationalrat jenseits der ÖVP gesetzlich zu verabschieden. Das könnte begrenzte Zeit funktionieren. Neos-Chef Matthias Strolz kam gleich mit einem 13-Punkte-Plan zum Termin mit dem Kanzler, die für die SPÖ machbar sind, für die ÖVP aber unangenehm wären. Grünen-Chefin Eva Glawischnig hat es nach dem Gespräch mit Kern mit Neuwahlen auch nicht mehr so eilig. Die würden ja den von den Grünen vorangetriebenen Eurofighter-Ausschuss sofort abdrehen. Auch mit FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache gab es ein Gespräch, und der ließ davon kein Wort verlauten.
Die Themen: Abschaffung der Kalten Progression, Arbeitszeit-Flexibilisierung, Schulpaket, Beschäftigungspaket 50plus - all dies wäre im Nationalrat mit SPÖ und Oppositionsparteien machbar - und fände eine Mehrheit.
Grundvoraussetzung: FPÖ, Grüne und Neos müssten sich verpflichten, bis wenigstens Ende Juni von der ÖVP ins Parlament gebrachte Neuwahlanträge abzulehnen. Wenn das überhaupt funktioniert, ließe es sich kaum länger aufrechterhalten. Vorgezogene Wahlen finden jedenfalls statt, aber halt ganz anders, als sich dies die ÖVP vorstellt.
Und da das Parlament die - kaum genutzte - Möglichkeit hat, selbst Initativanträge einzubringen (und zu beschließen) könnten dies auch Gesetzesreformen sein, die im Ministerrat mit der ÖVP gar nicht besprochen wurden. Die Volkspartei würde einige Wochen in der Regierung sitzen, aber im Parlament als Opposition.
Vor diesem Szenario stehen Sebastian Kurz und die ÖVP-Granden vor ihrem Treffen am Sonntag. Kerns "Weiterarbeiten-Projekt" steht auf wackeligen Beinen, das zu leugnen wäre sinnlos. Wenn es aber funktioniert, wäre dies für die Volkspartei und ihrem Hoffnungsträger Kurz der Super-GAU. Im "freien Spiel der Kräfte" im Nationalrat kommt die ÖVP von 183 Abgeordneten auf 50. Nach einer Nationalratswahl unter solchen Voraussetzungen wären es wohl einige weniger.