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Der österreichische Schriftsteller Robert Menasse hat im EU-Parlament eine bemerkenswerte Rede gehalten. Dort gilt es, 60 Jahre Römische Verträge zu feiern. Frankreich, Italien, Deutschland, Niederlande, Luxemburg und Belgien unterzeichneten am 25. März 1957 das Vertragswerk und gaben damit den Startschuss für die heutige Europäische Union.
Menasse machte die Abgeordneten darauf aufmerksam, dass die damals agierenden Politiker vor allem eines im Sinn hatten: die Überwindung der Nationalstaaten, deren Idee Europa zuvor in zwei furchtbare Kriege gestürzt hatte. Der sowjetische Einmarsch in Ungarn 1956 und der Kalte Krieg waren wohl auch Ansporn, sie ändern aber nichts an Menasses These: Europa muss in einer gefährlichen Welt zusammenstehen, Einzelstaaten können nichts ausrichten.
2017 gilt dies wieder. Mit Donald Trump sitzt ein US-Präsident im Weißen Haus, der von der EU nichts hält (und sie nicht versteht oder verstehen will). Mit Wladimir Putin sitzt ein russischer Präsident im Kreml, der die EU zerstören will und offen politische Kräfte unterstützt, die dabei helfen. Und mit Recep Tayyip Erdogan sitzt ein Präsident im Großmannssucht-Palast in Ankara, der jeden Bezug zur Realität verloren hat.
In einem solchen geopolitischen Umfeld ist Europa einerseits bedroht, andererseits muss die EU eine antipodische Kraft sein. Nicht Nationalstaaten können dies bewerkstelligen, sondern nur Europa gemeinsam. Viele Bürger haben dies begriffen. Der unaufhaltsam erscheinende Vormarsch der Rechtspopulisten bleibt stecken.
Nun ist es an der Europäischen Union, zu liefern. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel durfte ohne Aufschrei sagen, dass Europa nicht weniger, sondern mehr Geld benötigt. Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zeigte ein klares Votum der Jugendlichen für Europa.
Nun muss die EU zeigen, was politisch noch in ihr steckt. Menasse sagte, nach heutigen Maßstäben würden die Verhandler der Römischen Verträge als "Spinner" gelten. Und doch haben sie etwas geschaffen, das Europa bis heute trägt. Der Auftrag ist daher klar: EU-Kommission, EU-Parlament und Europäischer Rat (die Regierungschefs) müssen sich Spinnereien wieder zutrauen. Autokraten wie Trump, Putin und Erdogan sollten ausreichen, um jenen Pragmatismus aus der EU zu vertreiben, der Freiheit und Demokratie gefährdet.