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Nato-Dokumente belasten Thaci

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Europarat fordert Untersuchung im Organhandel-Fall. | Zeugenschutz als Hauptproblem. | Straßburg/London/Wien. Der vom Westen lange Zeit hofierte Kosovo-Premier Hashim Thaci soll einer der "größten Fische" der organisierten Kriminalität in seinem Land sein. Das berichtet die britische Zeitung "Guardian" unter Verweis auf geheime Nato-Dokumente von 2004.


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Aus den Papieren geht auch hervor, dass die USA und andere westliche Staaten umfangreiche Kenntnis über die kriminellen Verbindungen an der kosovarischen Staatsspitze gehabt hätten. Der Europarat fordert nun eine internationale Prüfung der Vorwürfe gegen Thaci.

Der ehemalige Kommandeur der Kosovo-Befreiungsarmee UCK mit dem Beinamen "Schlange" soll Mitglied eines Triumvirats gewesen sein, das die im Kosovo weit verbreitete organisierte Kriminalität leitete. Zum Trio gehörte demnach auch Xhavit Haliti, der frühere Logistikchef der UCK, der heute zu Thacis engsten Mitarbeitern zählt und - so das Blatt - "der eigentliche Boss" sein soll. Haliti, der dem Dossier zufolge eine 9mm-Pistole mit sich trägt und über enge Verbindungen zur albanischen Mafia verfügt, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Regierungspartei PDK und war am Dienstag auch Teil der kosovarischen Delegation in Straßburg.

Dort debattierte der Europarat vor allem über die Vorwürfe von Berichterstatter Dick Marty, es hätte im Kosovo illegalen Handel mit Organen getöteter Serben gegeben. Hatte Marty im Dezember noch Thaci beschuldigt, an dem Fall beteiligt gewesen zu sein, ruderte er vorige Woche zurück: Von einer persönlichen Verwicklung des Chefs der Regierungspartei PDK sei "nicht die Rede" gewesen.

Rätselhafter Rückzieher

Beobachtern gab Martys Rückzieher Rätsel auf. Gemunkelt wurde, dass wichtige Zeugen aus Angst, getötet zu werden, abgesprungen sein könnten. Schließlich hatte bereits der Prozess gegen Ex-Kosovo-Premier Ramush Haradinaj in Den Haag mit einer Blamage geendet: Von zehn Zeugen blieb einer am Leben, und der zog seine Aussage zurück. Der Prozess endete mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen.

Ulrike Lunacek, die Kosovo-Berichterstatterin des EU-Parlaments, fordert deshalb auch ein effektives Zeugenschutzprogramm: "Der Kosovo ist sehr klein. Die EU-Rechtsstaatmission Eulex muss von den Mitgliedstaaten ausreichende Mittel bekommen, um die Zeugen zu schützen", sagte die österreichische Grüne zur "Wiener Zeitung". Wenn Eulex nicht die Möglichkeit habe, den Zeugen und ihren Familien eine neue Identität in einem anderen Land zur Verfügung zu stellen, werde es kaum Anklagen geben.