Experte bezweifelt Erfolg der Strategie in Provinz Helmand. | Kabul/Wien. Der militärische Hexenkessel Afghanistans ist die Provinz Helmand. Dort bringen die Truppen trotz starken Engagements seit Monaten - ja eigentlich Jahren - die Situation nicht unter Kontrolle. Bei einem Angriff auf einen Kontrollposten in Helmand sind erst am Dienstag wieder mindestens vier Polizisten getötet worden. | Taliban: Fanatiker als Friedensengel? | Die Nachbarstaaten mischen mit
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Am Abend zuvor hatte der britische Kommandeur der Nato-geführten Isaf-Truppe in Südafghanistan erklärt, dass diese ihre bisher größte Offensive plane. Damit sollen in Helmand die radikalislamischen Taliban vertrieben werden, sagte Generalmajor Nick Carter.
Eine Strategie, die Afghanistan-Experte Gilles Dorronsoro in einem Bericht für bedenklich hält. Das Engagement der Truppen in Helmand sei die falsche Vorgehensweise, erklärte der Soziologe vom Think Tank "Carnegie Endowment for International Peace" in Washington. In der Unruheprovinz befinde man sich vorerst auf verlorenem Posten, weil die Taliban noch zu mächtig seien.
Helmand: Taliban- und Drogenhochburg
Helmand gilt als Hochburg der Taliban. Sie ist auch die in der Opiumproduktion führende Provinz Afghanistans. Große Teile Helmands würden von "Parallelregierungen" regiert, die oft von den Taliban gestellt werden, bestätigte Carter. Die afghanische Regierung habe dort schon seit langem keine Kontrolle mehr. Während es an staatlichen Strukturen in Helmand fehle und regierungstreue Repräsentanten so gut wie keine Rolle spielen, finden die Taliban unter der Zivilbevölkerung breite Unterstützung, so Dorronsoro. Aufständische und Zivilbevölkerung seien dermaßen miteinander verwoben, dass eine Unterscheidung ausgeschlossen sei. Die Verfehlungen von Präsident Hamid Karzai und den Koalitionstruppen trügen das Ihrige dazu bei, den Taliban die Rekrutierung unter der Bevölkerung zu erleichtern.
Das Massive Vorgehen der internationalen Truppen unterstütze somit lediglich einen Vertrauensverlust unter der Bevölkerung, in deren Augen die afghanische Regierung zunehmend an Legitimation verliert. Gleichzeitig könnte die Konzentration auf den Süden dazu führen, dass sich der Krieg rasch auch in Norden ausbreite.
Zu wenig Unterstützung aus Pakistan
Eine weitere Komponente, die den Einsatz in Helmand zum Scheitern verurteilt, ist, die schlechte Kooperation mit den Sicherheitskräften im angrenzenden Pakistan. Diese hätten nicht die Mittel oder auch nicht den Willen die Grenze zu Afghanistan zu Sperren um ein Ausweichen der Aufständischen zu verhindern, erklärte Dorronsoro.
Er schlägt eine entgegengesetzte Strategie vor: Das vorhandene Potential des Westens solle dazu genutzt werden, urbane Zentren besser zu schützen. Sie sollen auch Hauptziel von Hilfslieferungen sein. Hauptaugenmerk des militärischen Einsatzes soll es sein, den Norden des Landes zu sichern. Dies würde nicht nur die Zahl der Verluste verringern, sondern auch die Akzeptanz in der Bevölkerung unterstützen. Zudem könne man so wertvolle Zeit für die "Afghanisierung" des Landes gewinnen.
"Afghanisierung" ist das derzeit wohl wichtigste Schlagwort des Westens bei der Planung der Zukunft des Landes am Hindukusch. Es bezeichnet die allmähliche Übergabe der vom Westen kontrollierten Bereiche Afghanistans an einheimische Kräfte. "Wir müssen die Afghanisierung in den Bereichen Sicherheit und Regierungsführung beschleunigen. Es ist die Pflicht der Afghanen, die Last auf den eigenen Schultern zu tragen", sagte der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta. Dies vor allem mit Hinblick auf einen Truppenabzug, den der Westen ab 2011 plant.
Vorerst dürfte es jedenfalls bei der Südoffensive der Isaf-Truppen bleiben. Damit will man den Taliban die Schneid abkaufen, erklärte Nick Carter. Denn als die Taliban noch in Afghanistan regierten, waren die Straßen sicherer, so der britische Generalmajor. Frauen hätten vor der US-geführten Invasion im Jahr 2001 alleine sicher durch den Süden Afghanistans reisen können. Dies sei jetzt nicht mehr der Fall. Die britischen Streitkräfte müssten dies ändern.