USA akzeptieren Deutschlands Nichtengagement in Südafghanistan. | Frankreich will nun einspringen. | Vilnius. (dpa) Sechs Jahre nach dem Sturz der radikal-islamischen Taliban in Afghanistan liegen in der Nato die Nerven blank wie selten zuvor. Die 26 Verteidigungsminister des Bündnisses blieben bei ihrem Treffen in Vilnius trotz wachsender Probleme allerdings höflicher als erwartet. Deutschlands Ressortchef Franz Josef Jung, der sich wegen der Weigerung, Kampfverbände in den Süden des Hindukusch zu entsenden, zuvor von seinem US-Amtskollegen Robert Gates noch den Vorwurf mangelnder deutscher Opferbereitschaft anhören musste, konnte am Freitag guter Miene zur Münchener Sicherheitskonferenz weiterreisen. Die Debatte in Vilnius, so Jung, sei in guter Atmosphäre verlaufen.
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Gates schlug auch durchaus versöhnliche Töne an: Viele europäische Regierungen verstünden die Bedeutung Afghanistans, seien aber "in Koalitionen und können bestimmte Sachen einfach nicht tun. Wir verstehen das", erklärte er an die Adresse Berlins.
Sein verbales Trommelfeuer hatte zuvor Unwillen erregt. Selbst aus der Gruppe der im Süden kämpfenden Alliierten - Australien, Großbritannien, Kanada, Dänemark, Niederlande - sei Gates um Mäßigung gebeten worden. Seine Warnungen vor einer "zweigeteilten Allianz" wurden nicht nur von Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, sondern auch vom niederländischen Minister Eimert van Middelkoop als unbegründet abgetan.
Sarkozy, der Retter
Für die Sicherheitskonferenz in München, die bis Sonntag dauert, hatte sich Gates vorgenommen, ein "großes politisches Bild" zu malen und auf Nadelstiche gegen einzelne Mitglieder zu verzichten, wie ein Nato-Diplomat sagte. Darüber, dass das Bündnis in Afghanistan mehr tun muss, gibt es dennoch keinen Zweifel. Nach Ansicht der Militärs fehlen immer noch 7200 Soldaten.
Mit der Drohung Kanadas, bis Ende März seine von den Taliban schwer bedrängten 2300 Soldaten aus Kandahar abzuziehen, falls nicht ein anderes Land 1000 Soldaten zur Unterstützung schickt, hat das Land das Bündnis unter massiven Zugzwang gesetzt. Als wahrscheinlich gilt nun ein französisches Eingreifen an der Seite Kanadas, mit dem sich Präsident Nicolas Sarkozy beim Nato-Gipfel Anfang April in Bukarest als Retter in der Not darstellen könnte.