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Naturwissenschaftliches Malen nach Zahlen

Von Eva Stanzl

Wissen
Kookaburra mit Zahlen für Weiß, Grau, Schwarz, Blau, Braun.
© NHM

Skizzen und Aquarelle von Ferdinand Lucas Bauer, der "Leonardo der Naturmalerei", sind im Naturhistorischen Museum Wien zu sehen.


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Wien. Mit einem gackernden Lachen kündigte der Kookaburra seine Ankunft an. Dann setzte er sich auf einen Ast und rückte sein Gefieder zurecht. Ferdinand Bauer musste jetzt schnell sein. Der Vogel könnte jeden Moment wieder davonfliegen und er wollte die Proportionen erwischen. Sein Bleistift flitzte übers Papier, um die Art zu skizzieren, die später zu Deutsch Haubenliest genannt werden sollte und zur Gruppe der Eisvögel zählt. Für die Schattierungen der Federn in Weiß, Grau, Schwarz, Blau und Braun setzte Bauer Zahlen aus seiner Farbpalette ein. Erst später wollte er den Vogel, der zusammen mit 700 anderen Tieren und Pflanzen in einem Lehrband der Arten erscheinen sollte, kolorieren. Man schrieb das Jahr 1802.

So ähnlich könnte der Arbeitsalltag von Ferdinand Lucas Bauer ausgesehen haben, als er als "Natural History Painter" an Bord des britischen Expeditionsschiffs "Investigator" Australien bereiste. Nicht alle seiner 900 Aquarellfarben konnte er mitnehmen auf die dreimonatige Schiffsreise zum anderen Ende der Welt. Zudem war Bauer ein Perfektionist: Vor Ort hätte das Ausmalen zu lange gedauert. Und so kehrte er mit größtenteils Skizzen der neuen Tier- und Pflanzenwelt zurück. 2000 Zeichnungen, die Kaiser Franz I nach Bauers Tod bei einer Auktion erwarb, zählen heute zu den wertvollsten Beständen des Naturhistorischen Museums (NHM) inWien. Unter dem Titel "Leonardo der Naturmalerei" sind ausgewählte Skizzen und Aquarelle bis 28. September in einer Schau von NHM und Australischer Botschaft zu sehen.

Ferdinand Lucas Bauer wurde als fünftes von sieben Kindern 1760 in Feldsberg (heute: Valtice) geboren. Sein Vater Lukas war Hofmaler unter Fürst Josef Wenzel von Liechtenstein. Ferdinand studierte Pflanzenillustration an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und fertigte gemeinsam mit zweien seiner Brüder 2748 Wasserfarbenmalereien von Pflanzen, die als "Codex Liechtenstein" bekannt wurden. Später schuf Bauer zahlreiche Bilder für die Bücher des Chefs des Wiener Botanischen Gartens, Joseph von Jacquin. Danach warb ihn Sir Josef Banks für die Royal Botanical Gardens in Kew nahe London an.

Es sollte die erste Umrundung Australiens sein, die dem Naturmaler Ruhm brachte. Hintergrund der Expedition unter dem Kommando von Captain Matthew Flinders waren ein von Henry Rousseaus botanischen Studien losgetretenes, enzyklopädisches Sammeln von Wissen über die Natur sowie das Wettrennen zwischen Engländern und Franzosen um die Vorherrschaft im Pazifik in Zeiten der Napoleonischen Kriege in Europa. Küsten wurden kartiert, neue Häfen gesucht, ein Geologe, ein Astronom, ein Schiffsarzt, Naturforscher und Landschaftsmaler mitgenommen. Von Bauer erwartete Banks fertige Bilder bei dessen Rückkehr. Der Botaniker musste sich aber bis zur Fertigstellung der Fische, Reptilien, Koalabären, Blumen und Farne gedulden. Bauer schrieb ihm 1803 einen Brief, dass ihm wichtig sei, "die Natur so schnell als möglich zu dokumentieren", um Details würde er sich später kümmern. Christa Riedl-Dorn, Direktorin des NHM-Archivs für Wissenschaftsgeschichte, stellt einen Sammlungskatalog in Aussicht, der zu der offenbar spontan initiierten, kleinen und feinen Ausstellung nicht fertig wurde. "Angesichts der großen Zahl an Bildern wird dies Zeit benötigen", sagt Riedl-Dorn.