Mindestens drei Tote bei Protesten gegen Regierung in Venezuela.
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Bogotá. Südafrikas großer Präsident Nelson Mandela hat einmal gesagt: "Wenn du Frieden schließen willst mit deinem Feind, dann arbeite mit ihm. Dann wird er dein Partner." Von diesem Ratschlag Mandelas ist Venezuela derzeit weit entfernt.
Stattdessen regieren der Hass, die Beschimpfung und die Demütigung des jeweils anderen politischen Lagers. Für Venezuelas Opposition ist die Regierung unter Nicolas Maduro eine korrupte Truppe unter der Führung Havannas. Die Regierung brandmarkt die Opposition als ultrarechte Faschisten. Viel weiter auseinander geht es nicht.
Am Mittwoch eskalierte die Situation, als Opposition und Studenten zu den traditionellen Protestmärschen am 12. Februar, dem Tag der Jugend, aufriefen und dabei gegen die Wirtschaftspolitik von Maduro und die wachsende soziale Ungleichheit in Venezuela protestieren. Die Opposition wirft der Regierung vor, bei der Eindämmung der Inflation und auch bei der Verbrechensbekämpfung versagt zu haben. Sie verlangt den Rücktritt Maduros, der im vergangenen Jahr zum Nachfolger des verstorbenen sozialistischen Präsidenten Hugo Chavez gewählt worden war.
Der Protest verwandelte sich in eine blutige Nacht. Nach offiziellen Angaben sind mindestens drei Menschen erschossen worden. Im Stadtzentrum war es am Mittwoch zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Gegnern und Anhängern der Regierung von Präsident Maduro gekommen. 23 Menschen wurden verletzt und 25 weitere festgenommen, teilte die Polizei mit. Reporter der Nachrichtenagentur AP berichteten am Abend, dass es in der Innenstadt zu einer Schießerei gekommen sei. Bewaffnete Sicherheitskräfte der Regierung hätten auf eine Gruppe von mehr als 100 oppositionellen Demonstranten geschossen. Dabei soll es zu zwei Todesfällen gekommen sein.
Die Situation verschärft sich, weil in den sozialen Netzwerken Videos und Fotos gepostet werden, die die jeweils andere Seite als Urheber der Gewalt brandmarken. Und niemand ist da, der all diese Vorwürfe unpolitisch, unabhängig und ideologiefrei überprüfen kann.
Misstrauen auf jeder Seite
Venezuelas Gesellschaft ist tief gespalten. Die Opposition misstraut den staatlichen Institutionen, weil Justiz, Polizei, Staatsanwaltschaft und staatliche Medien fest in der Hand der regierenden Sozialisten sind, obwohl die Opposition bei der jüngsten Präsidentschaftswahl nahezu 50 Prozent der Stimmen gewann. Die Regierung wiederum misstraut Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder dem Menschenrechtsgerichtshof der Organisation Amerikanischer Staaten, weil deren Sitz in den USA liegt.
Präsident Nicolas Maduro bezeichnete am Abend die oppositionellen Demonstranten als "Nazi-Faschisten", die das Land in Chaos und Gewalt stürzen wollten. Wenig später rief er zu einem friedlichen Miteinander in Venezuela auf. Innenminister Rodriguez Torres kündigte ein rigoroses Vorgehen an: "Diese Gruppen, die mit der Absicht kommen Verletzte und Tote zu produzieren, Institutionen und das Volk anzugreifen, verdienen eine Antwort auf die gleiche Art und Weise."
Begonnen hatte die Woche mit Demonstrationen von mehr als hundert Journalisten aus Tageszeitungsredaktionen, die auf die Papierknappheit hinweisen wollten. Sie werfen der Regierung vor, den Engpass bewusst herbeizuführen, um den Druck regierungskritischer Zeitungen zu behindern. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Regierung auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationen zu respektieren.
Die Regierung warf der Opposition vor, die Demonstrationen als Vorwand für einen Putschversuch zu verwenden. Bilder und Berichte von den Protestmärschen waren laut venezolanischen Bloggern am Abend in den staatlichen Medien und Radiosendern nicht zu sehen und zu hören. Das Signal des internationalen Nachrichtenkanals NTN24, der aus Kolumbien sendet und über die Demonstrationen berichtete, wurde laut der Tageszeitung "El Universal" abgeschaltet und war in Venezuela nicht mehr zu empfangen. Der staatliche Fernsehsender VTV meldete am Abend gewalttätige Angriffe von Demonstranten. Die Studenten reagierten darauf mit E-Mail-Ketten und Publikationen in den sozialen Netzwerken.
Venezuela ist an einem Punkt angelangt, an dem eine dritte, unabhängige Kraft die beiden Konfliktparteien zueinander führen muss. Denn eine solche Kraft fehlt in diesem Land.