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"Nazi-Spuren waren nicht sichtbar"

Von Ina Weber

Politik

Schloss Lannach war Subkommando des Frauen-KZ Ravensbrück. | Neun Zeuginnen Jehovas arbeiteten für SS-Institut für Pflanzengenetik. | Wien. Hätte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wissen müssen, dass das Schloss seiner Familie in Lannach 1944 ein Subkommando des Frauen-KZ Ravensbrück war? Die Antwort der von Bartenstein in Auftrag gegebenen Studie, die am Dienstag präsentiert wurde, lautete "Nein".


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Selbst in der Bevölkerung habe man davon nichts mitbekommen, entlastete Studienautor und Historiker Stefan Karner den Minister. Auch er selbst habe erst 2006 davon erfahren, als Bartenstein - mitten im Wahlkampffieber - damit konfrontiert wurde. "Sicher kein Zufall", spielte der Minister am Dienstag auf den Wahltag am 1. Oktober an.

Man habe sich sofort auf Spurensuche begeben, sagte Karner. Es wurden 18 Archive durchforstet, 12 Zeitzeugen befragt, 122 Bücher durchgearbeitet und 31 authentische Fotos gefunden. Die 205 Seiten starke Studie soll noch dieses Jahr veröffentlicht werden.

Was geschah auf Schloss Lannach bei Graz, dem Sitz der Bartensteinschen Lannacher Heilmittel GmbH? Von 1944 bis Mai 1945 war das Schloss ein Subkommando des Frauen-KZ Ravensbrück. Neun Zeuginnen Jehovas wurden zur Arbeit im Institut für Pflanzengenetik gezwungen, das 1943 von den Nazi gegründet wurde.

Alle neun KZ-Häftlinge haben überlebt

Die SS versuchte damit an die internationale Pflanzengenetikforschung anzuknüpfen. Für manche der Frauen sei es eine "Erlösung" gewesen, berichtete Studienautorin Heide Gsell. Sie seien froh gewesen, von den wesentlich härteren Bedingungen in Ravensbrück wegzukommen. Die Frauen durften sich auch weitgehend frei bewegen. "Alle neun haben überlebt", sagte Gsell. Die Frauen kamen aus Polen, Deutschland, Mähren und Böhmen. Die Jüngste unter ihnen war die damals 32-jährige Polin Josefa Adamski. Sie wurde bereits im Jahr 1933 inhaftiert und musste ihre beiden kleinen Kinder zurücklassen. Ihr Mann starb bereits nach ein paar Monaten im KZ Auschwitz. Adamski wurde angeboten, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie ihrem Glauben abschwören sollte, doch sie weigerte sich beharrlich.

Keine Verbindung

zu Heilmittel-Firma

Ein wesentliches Detail sei, so Karner, dass sich die Frauen in ihrer äußerlichen Erscheinung in keiner Weise von Zwangsarbeitern unterschieden haben. "Zeugen haben sie als Bibelforscher bezeichnet", so Karner. Unter den Nazis wurden allerdings die Zeugen Jehovas immer als Bibelforscher bezeichnet. "In der Region gab es tausende Zwangsarbeiter", so Bartenstein. Der ehemalige Schlossbesitzer Franz Kandler beschäftigte allein 180 Zwangsarbeiter.

"Es gibt keine Verbindung zwischen dem SS-Institut für Pflanzenforschung und den Lannacher Heilmittelwerken", betonte Karner. Das Institut sei 1945 restlos abgebaut worden. Im Jahr 1947 wurde die Lannacher Heilmittel GmbH gegründet, wo Bartensteins Vater in den 50er Jahren eingestiegen war und den Betrieb 1966 übernahm. Die Lannacher Betriebe hätten von Anfang an Vitaminpräparate erzeugt und das habe nichts mit Pflanzengenetik zu tun, sagte Karner.

Die Kritik etwa der Grünen an Bartensteins Unwissen richtete sich vor allem dahingehend, dass seit längerem Fakten über Schloss Lannach als KZ-Außenstelle etwa im Internet zu lesen sind. Auch Karner musste zugeben, dass bereits der Autor Andreas Baumgartner 1997 über die Geschichte des Schlosses im Zusammenhang mit den Zeugen Jehovas geschrieben hatte. Karner ortete ein "enormes Forschungsdefizit", was die Verfolgung der Zeugen Jehovas im Dritten Reich anlangt.

Bartenstein lässt

Gedenktafel aufstellen

Bartenstein sprach von einem "fürwahr düsterem" Kapitel in der 400-jährigen Geschichte des Schlosses. "Ich werde dafür Sorge tragen, dass in den nächsten Monaten eine Gedenktafel vorbereitet wird". Diese soll allerdings nicht am Schloss, sondern am "Schüttboden", dem Nebengebäude, wo die Frauen untergebracht wurden, angebracht werden.