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Nebelfänger als Durstlöscher

Von Eckart Granitza

Wissen
Dreidimensionale Nebelfänger befinden sich in der Namibwüste im Praxistest.
© ITV

Ein Wüstenkäfer dient den Forschern als Vorbild für die Wassergewinnung.


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Berlin. Die Trinkwassergewinnung erfährt in vielen Regionen der Welt eine zunehmende Bedeutung. Gerade mit der im Zuge der Klimaveränderung fortschreitenden Versteppung vieler Gebiete wird dies immer wichtiger. So kann vor allem jenen Menschen, die noch vor ein paar Jahren Ackerbau und Viehzucht betreiben konnten, eine Alternative zu der Abwanderung aus ihrer Region geboten werden. Dazu brauchen sie vor allem eines: Wasser. Etwa eine Milliarde Menschen haben derzeit keinen Zugang zu dem lebensnotwendigen Nass. Vor allem in Entwicklungsländern ist das ein riesiges Problem.

Struktur des Rückenpanzers

Die Ingenieure Jamal Sarsour und Thomas Stegmaier vom Institut für Textil- und Faserforschung (ITV) im schwäbischen Denkendorf haben sich schon länger mit dem Problem des Wassermangels in vielen Regionen der Erde beschäftigt. Sie sind auf eine verblüffende Lösung gekommen: den dreidimensionalen Nebelfänger.

Als Vorbild für ihre Erfindung diente ein Käfer. Genauer gesagt der Nebeltrinker-Käfer Onymacris unguicularis aus der Namibwüste in Namibia. Der Käfer stellt sich in den Morgenstunden mit seinen Hinterfüßen gegen den, in dieser Wüste oft vom Meer kommenden Nebelstrom, und fängt mit seinem Rücken die Aerosoltröpfchen aus dem Morgennebel auf. Die durch die Anhaftung am Rücken immer größer werdenden Tröpfchen fließen dann irgendwann der Schwerkraft folgend seinen Rücken herunter bis in den Mund des Käfers.

Besonders interessiert hat die Forscher die Struktur des Rückenpanzers. Durch seine dreidimensional hügelige Mikrostruktur bleiben die Nebeltropfen an dem Rücken gut haften und rollen dann, wenn sie größer geworden sind, über die Senken einfach ab. "Irgendwann sind wir daraufgekommen, dass man den Stoff für einen Nebelfänger dreidimensional konstruieren müsste. Das hat auch den großen Vorteil, dass das Material dicker wird und so eine größere Oberfläche bekommt, was natürlich wieder dazu führt, dass mehr Wasser in dem Stoff hängen bleibt", so Stegmaier.

Die Ingenieure entwickelten unter der Verwendung von sogenannten Abstandstextilien eine Polyesterstruktur zur Ausnutzung der dritten Dimension. Diese musste die notwendige hohe Luftdurchlässigkeit für die in der Wüste oft vorkommenden Stürme, eine hohe UV-Beständigkeit für extreme Sonneneinstrahlung und eine hohe Nebelaerosolabscheidung miteinander vereinen.

"Unsere Versuche im Labor haben ergeben, dass eben gerade Kunstfasern aus Polyester am besten dazu geeignet sind, schlaufenartige Maschen so miteinander zu verbinden, dass man diese zu räumlichen Textilgebilden verknüpfen kann. Und damit können wir dann die dritte Dimension ausnutzen", so Sarsour.

Denn es gab auch vorher schon Versuche, den Nacht- oder Morgennebel aus der Luft abzuscheiden. Dabei wurden aber nur zweidimensionale Stoffe wie Polypropylen eingesetzt, die aufgrund ihrer Zweidimensionalität lange nicht so viel Wasser abscheiden konnten und zudem durch ihre dichtere Struktur auch einen höheren Luftwiderstand hatten. Das hat gerade in der Wüste mit ihren starken Stürmen oft dazu geführt, dass die Stoffe zerfetzt wurden.

Wie ein Volleyballnetz

Der 3D-Nebelfänger wird ähnlich wie ein Volleyballnetz eineinhalb Meter über dem Boden zwischen zwei Masten straff gezogen. Aufgefangen wird das "geerntete" Wasser morgens in einer Rinne, die über einen Schlauch in einen Tank geleitet werden kann und nur noch gefiltert werden muss, um als richtiges Trinkwasser verbraucht zu werden.

Zwei Feldversuche haben die Forscher schon mit den neuen Nebelfängern durchgeführt. Bei diesen Praxistests in der Namibwüste und den extrem trockenen Bergregionen Eritreas hat sich herausgestellt, dass die dreidimensionalen Materialien zwei- bis dreimal so viel Wasser abscheiden konnten wie die zweidimensionalen Vergleichsmaterialien.

Insgesamt ist die Ausbeute der Kollektoren standortabhängig. Sie kann zwischen drei Litern Wasser in der extrem trockenen Namibwüste und zehn Litern in den Bergen Eritreas, pro Quadratmeter Gewebe und Tag, schwanken - Nebelereignisse vorausgesetzt.

Der Geschäftsführer des Verbandes Forschungskuratorium Textil (FKT), Klaus Jansen, sieht ein enormes Potenzial darin. " Da die Nebelfänger leicht zu handhaben sind und zudem für ihre Aufstellung keine zusätzliche Energie verwendet werden muss, denke ich, dass sie gerade in Entwicklungsländern schon bald zum Einsatz kommen könnten. Und das nicht nur für die Trinkwasserbereitstellung, sondern auch für Gewinnung von Wasser für Ackerbau und Viehzucht." Noch gibt es nur Prototypen, aber Jansen hofft, dass sich auch in der deutschen Entwicklungshilfe bald die Erkenntnis durchsetzen wird, dass die Nebelfänger wesentlich günstiger und einfacher sind als etwa energie- und finanzintensive Grundwasserbohrungen.

Textilfirmen horchen auf

Darauf baut auch das Forscherteam. Denn, wenn die neuen Nebelfänger serienmäßig hergestellt werden könnten, wird auch ihr Stückpreis fallen. Dies wäre dann sogar für die Entwicklungsländer selbst eine kostengünstige Option zur Wassergewinnung.

Letzte Woche haben sich zwei Textilfirmen in Süddeutschland gemeldet, die die Nebelfänger im großen Maßstab herstellen wollen. Schon nächstes Jahr sollen die Kollektoren dann in Afrika zum Einsatz kommen.