Der Innenminister befürchtet eine neue Infektionswelle, die von Wien ausgeht. Die Stadt weist das zurück.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Innenminister Karl Nehammer reitet seit geraumer Zeit heftige Attacken gegen Wien. Die Zahl der Covid-19-Neuinfektionen bezeichnet er als "besorgniserregend", die Weigerung von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig und SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, enger mit dem bundesweiten Einsatzstab zu kooperieren, als "verantwortungslos". Nehammer befürchtet eine "zweite, von Wien ausgehende Infektionswelle", wo man aktuell bei rund 60 Prozent aller österreichweiten Neuinfektionen hält.
Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sieht in Bezug auf den Corona-Cluster in Wien und Niederösterreich keinerlei Zuständigkeit bei Nehammer. "Wir arbeiten engstens und bestens mit dem Gesundheitsministerium zusammen. Das ist die gesetzlich festgelegte Kommunikationslinie", entgegnete Hacker am Montag. "Ich befürchte, dass das mit Inhalt nichts zu tun hat, sondern parteipolitisches Gezänke ist", ärgerte sich der Stadtrat. Bürgermeister Michael Ludwig wiederum erklärte, Gesundheitsminister Anschober sowie Vizekanzler Werner Kogler haben die Kooperation mit den Wiener Behörden gelobt.
In Wien hatten zuletzt vermehrt auftretenden Infektionen für Aufsehen gesorgt. Den Anfang machte am 1. Mai eine Ansteckungswelle im Asylwerberheim "Haus Erdberg". In der Vorwoche gab es gleich mehrere Fälle. Eine Betreuerin eines Kindergartens in Liesing wurde positiv getestet, einen Tag später ein Kind. Seit Montag liegen nunmehr die Testergebnisse für die gesamte Einrichtung vor: alle negativ. Am Freitag dann der nächste Rückschlag: In den Verteilzentren der Österreichischen Post in Hagenbrunn (NÖ) und Inzersdorf wurden zahlreiche Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet. Endgültige Zahlen gibt es noch keine, die Rede ist jedoch von weit mehr als 100 Personen, der Großteil ohne Symptome. Obwohl der eigentliche Infektionsherd nach derzeitigem Stand in Hagenbrunn, also Niederösterreich, liegen dürfte, war es die Stadt Wien, die in der Causa aktiv wurde.
"Wir sind im Zuge der Nachverfolgung der Erdberg-Fälle auf Zusammenhänge mit der Post, bzw. einer Leiharbeitsfirma, die ihr Personal der Post zur Verfügung stellt, gestoßen", sagt Mario Dujakovic, Sprecher von Stadtrat Hacker. Dass es sich bei den Beschäftigten nicht, wie ursprünglich kolportiert, um Asylwerber handelt, sondern um Asylberechtigte, die noch im "Haus Erdberg" untergebracht sind, stellte er auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" klar. Neben dem "Haus Erdberg" sei darüber hinaus eine weitere, kleine Unterkunft von Asylberechtigten in den Fokus der Ermittlungen geraten. Mit Covid-19 infiziert haben dürften sich die in Summe 39 positiv getesteten Personen (darunter auch die Kindergartenbetreuerin aus Liesing) im unmittelbaren Umfeld der Leiharbeiterfirma.
Bundesheer übernimmt
Im Verteilzentrum Hagenbrunn hat am Montag das österreichische Bundesheer die Logistik zur Gänze übernommen, das Postpersonal des Standorts befindet sich in Quarantäne. Dieselbe Maßnahme wird auch in Inzersdorf gesetzt. Darüber hinaus werde die Post "ganz genau" prüfen, ob ein Fehlverhalten der Leiharbeiterfirma vorliege, sagt er. Österreichweit greife man auf die Dienste von mehr als zehn Leiharbeitsfirmen zurück. Als Gewerkschafter "naturgemäß wenig Freude mit Leasingarbeitern" hat Helmut Köstinger, Vorsitzender der Postgewerkschaft. Es sei auch mit dem Vorstand der Post vereinbart, dass man nur in Ausnahmesituationen wie "Ostern, Weihnachten und während der Urlaubszeit" auf diese zurückgreife. Im Zuge der Corona-Krise sei dann aber einiges zusammengekommen: "Wir hatten verstärkt Krankenstände, gleichzeitig ist das Paketaufkommen explodiert. Älteren Mitarbeitern mit Vorerkrankungen wurde die Möglichkeit eingeräumt, daheim zu bleiben. Kinderbetreuungspflichten waren auch ein Thema", sagt Köstinger. Die Post sei gezwungen gewesen dies kurzfristig zu kompensieren. "Wir haben die coronabedingte Informations- und Verhaltensregeln im Betrieb sogar in 18 Sprachen übersetzen lassen. Leider haben sich viele nicht daran gehalten", sagt Köstinger.
Neuer Fall in Hietzing
Während die Situation in den Verteilzentren der Post mittlerweile kontrollierbar scheint, hat sich für Wien am Wochenende ein weiteres Problemfeld aufgetan. Ein Bewohner einer Männernotschlafstelle in Hietzing wurde positiv auf Covid-19 getestet und sofort isoliert. Die anderen 120 Bewohner des Quartiers kamen in Quarantäne. Sie sollen in den nächsten Tagen getestet werden.