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Neinsager

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Das Mercosur-Veto Österreichs geht auf einen Beschluss im Wahlkampf 2019 zurück.


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"Die kürzesten Wörter, nämlich ,ja‘ und ,nein‘ erfordern das meiste Nachdenken", wusste schon der antike griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras von Samos. Während der "Satz von Pythagoras" vielen (leidgeprüften) SchülerInnen ein Begriff sein dürfte, sollte dieses weniger bekannte Zitat als Maxime für politisches Handeln dienen. Betrachtet man zwei der jüngsten Entscheidungen der österreichischen Bundesregierung in der Außen(wirtschafts)politik, sind diesbezüglich Zweifel angebracht. Über das Veto zum bulgarischen und rumänischen Schengen-Beitritt, dessen mögliche innenpolitische Motive sowie das große Unverständnis darüber bei unseren europäischen Partnern wurde ausführlich berichtet und diskutiert. Hierzu gesellt sich nun Werner Koglers im Namen der Regierung ausgesprochene Erneuerung des österreichischen Vetos zur Ratifizierung des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Die EU-Ratspräsidentschaft des Jahres 2023, also Schweden und Spanien, hat sich den Abschluss des Abkommens für heuer zum Ziel gesetzt.

Das Mercosur-Veto Österreichs geht auf einen Nationalratsbeschluss während des Nationalrats-Wahlkampfs im September 2019 zurück, als es noch keine Covid-19-Pandemie und keinen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gab. In Brasilien residierte damals Jair Bolsonaro seit neun Monaten als Präsident im Palácio do Planalto. Ökonomisch haben uns sowohl die Pandemie als auch der russische Überfall auf die Ukraine die Kosten einer zu starken Abhängigkeit von einzelnen Handelspartnern deutlich vor Augen geführt. Handelsabkommen sind ein mögliches Instrument, um wirtschaftliche Abhängigkeiten durch stärkere Diversifikation der Außenwirtschaftsbeziehungen zu reduzieren.

Mit Lula da Silva sitzt seit Anfang Jänner ein Mann im Palácio do Planalto, der nicht nur, wie wir am Wochenende miterleben mussten, die demokratischen Institutionen des Landes durch antidemokratische Anhänger Bolsonaros bedroht sieht, sondern ernsthafte und weitreichende klimapolitische Versprechen im Wahlkampf abgegeben hat. Der Schutz und die Erhaltung des Amazonas-Regenwalds sind für die globalen klimapolitischen Anstrengungen von maßgeblicher Relevanz, verursachen für die Bevölkerung Brasiliens und anderer südamerikanischer Länder jedoch auch Kosten. Diese können einfacher kompensiert werden, wenn diese Länder auch für sich vorteilhafte Wirtschafts- und Handelsabkommen schließen können.

Wer nicht bereit ist, über verstärkte wirtschaftliche Kooperationen mit den südamerikanischen Volkswirtschaften zumindest zu verhandeln, agiert nicht nur klimapolitisch unsolidarisch und unterminiert die politische Akzeptanz für Klimapolitik in diesen Ländern, sondern treibt sie zusätzlich noch in die Arme anderer potenzieller Handelspartner, deren primäres Interesse in der Ausdehnung ihres geostrategischen Einflussbereichs und nicht in einer verstärkten Zusammenarbeit auf Augenhöhe liegt. Nachverhandlungen sind aufwendig und zeitraubend, politisch aber jedenfalls erfolgsversprechender als eine sture Blockadehaltung.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.