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Sie nennen ihn den "Nelson Mandela Osttimors", und in der Tat verbinden Xanana Gusmao und den südafrikanischen Präsidenten mehr als nur Charisma und die langen Jahre in der Haft. Mandela war es
auch, der im Juli 1997 dem Rebellenführer aus Osttimor weltweite Aufmerksamkeit verschaffte. Er besuchte den inhaftierten Gusmao in Jakarta und forderte seine Freilassung. Präsident Suharto mußte
zähneknirschend zusehen.
18 Monate später ist Suharto entmachtet und Gusmao aus dem Gefängnis in den bequemen Hausarrest entlassen. "Ein bißchen spät, aber besser spät als nie", sagt er, wie immer sanft und leise, zur
plötzlichen Wende in Jakartas Osttimor-Politik. Wie kein zweiter am Ende dieses Jahrhunderts verkörpert Xanana Gusmao weltweit das etwas altmodische und romantische Ideal vom Freiheitshelden. Alle
Seiten wollen ihn nun bei den Autonomie-Verhandlungen für seine Heimat dabei haben, denn der einstige Guerrillaführer gilt längst als gemäßigt und pragmatisch. Manche sehen den 52jährigen schon als
künftigen Präsidenten eines unabhängigen Osttimors. Jedenfalls ist er die Schlüsselfigur für die Beilegung des Konfliktes.
Als Jose Alexandre Gusmao wurde er am 20. Juni 1946 in Manatuto auf Osttimor geboren. Sein Vater war Lehrer, er hatte sechs Geschwister. Nach dem Schulbesuch bei katholischen Missionsschwestern
schrieb er seit 1974 für die Zeitung "A Voz de Timor". Im selben Jahr, seine Heimat war noch portugiesische Kolonie, schloß er sich der marxistischen Befreiungsfront Fretilin (Frente
Revolucionaria de Timor Leste) an. 1975 besetzte Indonesien den Inselteil, Gusmao ging in den bewaffneten Widerstand. Seit 1979 bis zu seiner Verhaftung 1992 war er faktisch der Kopf der Fretilin.
Schon Anfang der 80er Jahre begann er, einen pragmatischeren Standpunkt zu entwickeln, förderte den Dialog mit der katholischen Kirche und sogar Kontakte zu den indonesischen Besatzern. Bewaffneter
Kampf und gewaltfreie politische Mittel waren für Gusmao kein Widerspruch. Aber seine Strategie blieb angesichts der brutalen Unterdrückung durch Indonesien, der bis heute etwa 200 000 Menschen zum
Opfer fielen, ohne Erfolg. Am 20. November 1992 wurde er von indonesischen Truppen festgenommen, im Mai 1993 in einem umstrittenen Prozeß zu lebenslanger Haft verurteilt. Suharto reduzierte die
Strafe später auf 20 Jahre.
In Jakartas berüchtigtem Cipinang-Gefängnis hat Gusmao Gedichte geschrieben und Bilder gemalt und immer wieder mit nach außen geschmuggelten Artikeln in die Debatte um die Zukunft Osttimors
eingegriffen. Die Fretilin wurden unterdessen militärisch immer bedeutungsloser, aber Gusmaos Position als Volksheld und Oppositionsführer blieb unumstritten. Auch nach dem Sturz Suhartos im Mai 1997
war seine Zeit noch nicht gekommen. Denn der neue Präsident B.J. Habibie ließ zwar eine Reihe politischer Gefangener frei, nicht aber Gusmao, der als Staatsfeind Nummer Eins galt. Längst nicht mehr
in Sträflingskleidung, sondern im weißen Hemd mit Krawatte, aber eben immer noch Häftling, so wartete Gusmao auf seine Stunde. Jetzt ist sie da, denn Präsident Habibie braucht ihn. Er soll seine
Landsleute davon überzeugen, daß Autonomie und nicht Unabhängigkeit das vernünftigste Ziel ist.