Angeklagte Neonazis bestreiten, das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) je betreten und ein Vorstandsmitglied verprügelt zu haben.
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Wien. Hoch war das Interesse Dienstag Früh im Verhandlungssaal des Landesgerichts in der Josefstadt. Die Zuschauerreihen waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter legte sieben Neonazis Hausfriedensbruch sowie Körperverletzung zur Last. Sie alle sollen dem ehemaligen Austria-Fanklub "Unsterblich" angehört haben, der für seinen neonazistischen und rechtsradikalen Hintergrund bekannt ist. Die sieben Hauptangeklagten sollen am 27. Oktober 2013 den türkisch-kurdischen Kulturverein ATIGF im Wiener Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Favoriten überfallen und ein Vorstandsmitglied verprügelt haben.
Angeklagt sind aber auch zwei Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaftsinitiative KOMintern. Ihnen wird vorgeworfen, die angreifenden Neonazis nach dem Prügelangriff verfolgt und einen von ihnen ebenso verprügelt zu haben. Alle Angeklagten bekannten sich "nicht schuldig". Die mutmaßlichen "Unsterblich"-Fans bestritten zudem, das Vereinslokal im EKH je betreten zu haben.
"Die wollen ihr Gesicht nicht in der Presse sehen"
Es war der erste Verhandlungstermin von insgesamt drei anberaumten Prozesstagen. Für Dienstag war vorerst die Vernehmung der Hauptangeklagten geplant. Zahlreiche Pressevertreter und Angehörige hatten sich im Saal versammelt. Sie warteten auf die Begrüßungsworte von Richter Michael Tolstiuk, der den Prozess verhandelt. Als die insgesamt neun Vorgeladenen den Saal betreten, herrschte Aufregung.
Die angeklagten sieben Neonazis hielten sich Jacken und Sonnenbrillen vor ihre Gesichter, um sich vor den Blicken der Prozessbeobachter zu schützen. Zwei Frauen - offenbar Bekannte der sieben Männer - mahnten die Presse, das Fotografieren einzustellen: "Die wollen ihr Gesicht nicht in der Presse sehen", erklärte eine von ihnen mit Nachdruck.
Die beschuldigten Neonazis sind alle zwischen 27 und 39 Jahren alt und im Berufsleben Arbeiter und Angestellte. Ihr Auftreten vor Gericht wirkte selbstsicher, aber angespannt. Während der Vernehmung hielten sie untereinander Blickkontakt und schüttelten ungläubig ihre Köpfe, als die beiden mitangeklagten Gewerkschafter ihre Version der Geschichte erzählen.
Unter ihren Hemden und Krägen blitzten großflächige Tätowierungen hervor, die verdeckenden Ärmel wurden immer wieder sorgfältig zurechtgezupft. Ihre Haare hatten sich die Männer alle ähnlich kurz geschoren, ein paar hatten sich längere Strähnen wachsen lassen und diese in die Stirn gekämmt. Im Laufe der Sitzung stellte der Richter fest, dass zum Zeitpunkt der Verhandlung alle angeklagten Rechtsradikalen längere Haare hätten als noch im Winter bei der Einvernahme durch die Polizei.
"Ich bin ein Fußballfan und war sicher nie ein Braver"
Angesprochen auf ihren Zusammenhang mit dem mittlerweile vom Verein ausgeschlossenen rechtsradikalen Austria-Fanklub "Unsterblich", stritten die Beschuldigten jegliche Mitgliedschaft ab. Einer von ihnen hatte allerdings zum Zeitpunkt des Geschehens ein T-Shirt mit der Aufschrift "Unsterblich" an. Er behauptete, er habe das Leiberl von einem mittlerweile verstorbenen Bekannten geschenkt bekommen und getragen, "damit die Rapidler wissen, ich bin Austrianer". Er sei zwar kein "Unsterblich"-Mitglied, kenne aber solche: "Ich mag sie auch."
Der Fanklub "Unsterblich" wird vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) als neonazistisch eingestuft. Auf der Tribüne waren Sprüche wie "Adolf Hitler ist mein Freund", "Zick-Zack Zigeunerpack" und "Rassist, Faschist, Hooligan" zu vernehmen. Die Vereinsführung reagierte schließlich mit Haus- und Stadionverboten, im Jänner 2013 wurde der Gruppierung der Status als offizieller Fanklub der Austria aberkannt.
"Ich bin Fußball-Fan, Herr Richter, und war sicher nie ein Braver, aber ich hab mich nie politisch engagiert", beteuerte der Angeklagte Patrick V. "Es handelt sich hier auch nicht um ein politisches Verfahren", entgegnete Richter Tolstiuk. Der vormals im Zwischenbericht angeführte Anklagepunkt "Verdacht auf Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz" schien in der Verlesung der Anklageschrift nicht mehr auf. Er konnte sich laut Staatsanwaltschaft "nicht weiter erhärten".
Staatsanwalt fragte nur bei Gewerkschaftern genauer nach
Jener 24-jährige Austria-Anhänger, der im EKH einen Aktivisten verletzt haben soll, beteuerte, das Gebäude nicht betreten zu haben, obwohl er aufgrund seines markanten Äußeren von seinem mutmaßlichen Opfer eindeutig identifiziert wurde. Der groß gewachsene, übergewichtige Schlosser weist zahlreiche Tätowierungen auf und hatte zum Tatzeitpunkt fast keine Vorderzähne. Das allein beweise seine Täterschaft noch nicht, sagte der 24-jährige Angeklagte Richter Tolstiuk: "Fußballfans haben öfters keine Zähne. Sie sind oft tätowiert und haben das gleiche Auftreten."
Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter zeigte sich während der Vernehmungen vorerst zurückhaltend. Erst als die beiden mitangeklagten Gewerkschafter befragt wurden, schaltete sich Kronawetter ein. Wieso und mit welcher Ausrüstung der angeklagte Gewerkschafter Adigüzel A. das Vereinslokal verlassen habe, wollte der Staatsanwalt im Detail wissen. Hier fiel auf, dass verhältnismäßig mehr Zeit für die Befragung der beiden Mitangeklagten aus dem EKH verwendet wurde. Die Neonazis schienen im Gegensatz dazu nahezu "abgefertigt" zu werden.
Die Verhandlung wurde nach knapp vier Stunden auf 16. September vertagt, um weitere Zeugen befragen zu können.