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Nervenkrieg für die Türkei

Von Wolfgang Tucek, Brüssel

Politik

Die Türkei steht unmittelbar davor, formell ihre letzte Bedingung für den Beginn der Beitrittsgespräche mit der EU am 3. Oktober zu erfüllen. Ein Treffen des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan mit EU-Ratspräsident Tony Blair soll ein heftiges diplomatisches Tauziehen beenden.


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"Unmittelbar" nach den Beratungen mit Blair am heutigen Mittwoch soll das Zusatzabkommen zum Ankara-Protokoll unterzeichnet werden, hat der Sprecher des türkischen Außenministeriums angekündigt. Damit dehnt die Türkei ihre Zollunion auf die zehn neuen EU-Staaten aus und anerkennen so Zypern indirekt. "Die EU umfasst 25 Staaten", lautet die entscheidende Passage in dem Dokument.

Der Ball liege aber bei den Briten, heißt es auch aus der Kommission. EU-Botschafter Sir John Grant muss das Dokument noch im Namen des EU-Vorsitzes unterschreiben und seinem türkischen Kollegen Oguz Demiralp zukommen lassen. Dessen Unterschrift gilt zwar als ausgemacht. Gleichzeitig mit dem signierten Zusatzabkommen wird Demiralp aber eine parallel dazu ausgearbeitete Erklärung zurückschicken. Darin will die Türkei zu verstehen geben, dass sie Zypern nicht formell anerkenne und auch in absehbarer Zeit keine diplomatischen Beziehungen mit der griechisch-zypriotischen Regierung in Nikosia aufnehmen werde.

Die Briten sind nun in einer delikaten Situation. Wenn sie das Zollabkommen unterzeichnen, geben sie das Heft aus der Hand. Laut der einstimmigen Erklärung der EU-Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2004 sind mit der türkischen Gegenzeichnung alle Bedingungen für den Verhandlungsbeginn erfüllt. Befürchtet wird nun, dass die Parallelerklärung dem Zusatzprotokoll inhaltlich zu deutlich widerspricht. Deshalb hätten die Briten den Text gern in Händen gehalten, bevor sie ihre Unterschrift leisten - was Ankara als Affront betrachtete. Schließlich bedürften unilaterale Erklärungen nicht der Zustimmung der EU, war das Argument.