Löschung eines Greenpeace-Videos wurde von Nutzern als Zensur gewertet. | Boykottdrohungen zwangen Konzern in die Knie. | Bangkok. Ein Mann sitzt in einem Großraumbüro und beißt herzhaft in einen KitKat-Schokoriegel. Blut läuft ihm übers Kinn und tropft auf die Tastatur. Er hat in den Finger eines Orang Utans gebissen. Dieser recht derbe, einminütige Videoclip der Umweltorganisation Greenpeace entwickelt sich zum PR-Gau für den Schweizer Nahrungsmittelmulti Nestlé, den Besitzer der Marke KitKat. Denn nachdem der Clip vor einer Woche auf der Videoplattform Youtube veröffentlicht wurde, hat das Unternehmen wohl alles falsch gemacht.
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Nur 17.000 Menschen hatten den Clip gesehen, als Nestlé Youtube veranlasste, das Video zu sperren. In der Verwendung des KitKat Logos sahen die Konzernanwälte eine Verletzung ihres Urheberrechts. Die Internetgemeinde wiederum verstand das Vorgehen des Konzerns als Zensurversuch. Und plötzlich war das Filmchen überall. Mittlerweile hat knapp eine Million Menschen den Clip gesehen, sagt Greenpeace. Die Wut der Internetnutzer entlud sich dann auf der Nestlé-Fanseite auf Facebook. Und auch im mittlerweile 400 Millionen Nutzer zählenden Online-Netzwerk versuchte Nestlé die Verwendung von verfälschten Konzernlogos zu unterbinden. Längst war dort aus dem bekannten KitKatSchriftzug "Killer" geworden. Mit dem neuerlichen Versuch, die Sache unter Kontrolle zu bringen, stachelte der Konzern die Facebook-Nutzer jedoch nur weiter an. Bitterböse Kommentaren grüßen dort jetzt jeden Besucher der Seite. Dass Nestlé in der Sache schon weitgehend nachgegeben hat, spielt mittlerweile kaum noch eine Rolle.
Protest der Bauern
Anlass für das Greenpeace-Video war, dass Nestlé von der indonesischen Firma Sinar Mas Palmöl kauft. Und Sinar Mas wird beschuldigt, auf der Tropeninsel Borneo, wo die Orang Utans zu Hause sind, illegal Tropenwälder gerodet zu haben, um dort Palmöl-Plantagen anlegen zu können. Nestlé hat mittlerweile bekannt gegeben, von Sinar Mas kein Palmöl mehr zu kaufen und ab 2015 nur noch nachhaltiges Palmöl zu verwenden. Damit zieht Nestlé mit seinem Konkurrenten Unilever gleich, der schon vor Wochen seine Zusammenarbeit mit Sinar Mas aufgekündigt hat.
Doch während sich Unilever noch geräuschlos von Sinar Mas verabschieden konnte, hat sich für Nestlé nach den Tierschützern gleich auch noch eine zweite Front aufgetan. Der indonesische Verband der Palmölbauern droht, dass 10 Millionen Bauern bereit seien, Nestlé-Produkte zu boykottieren. Egal, was der Konzern aus Vevey nun macht, er kann nur noch verlieren.
Nestlé erhält auf seiner Facebook-Seite denn auch viele Ratschläge, wie es der Konzern in Zukunft besser machen könnte. Einerseits mahnen die Nutzer natürlich an, Nestlé solle sofort auf nachhaltiges Palmöl umstellen.
"Konsument hat recht"
Andererseits geben die Nutzer dem Weltkonzern Nestlé aber auch Tipps für das Verhalten in sozialen Netzwerken wie Facebook: "Die erste Regel sozialer Medien ist: Der Konsument hat die Kontrolle und nicht die Industrie", schreibt einer der Besucher. Die Reaktion von Nestlé auf das Greenpeace-Video dürfte denn auch als Lehrbuchbeispiel, wie man es nicht machen soll, Eingang in die Marketing-Literatur finden. Schließlich hatte der Versuch, das Video aus dem Internet zu verbannen, dazu geführt, dass Nestlé innerhalb einer Woche nicht nur den beschuldigten Lieferanten loswerden musste, sondern weltweit mit immer lauteren Boykott-Aufrufen konfrontiert ist.
Die viel gelesene Umwelt-Nachrichtenseite mongabay.com schreibt denn auch, der Protest werde nicht nur die Palmölindustrie nachhaltig verändern, sondern zeige der Welt die Macht sozialer Medien. Der nächste Konzern, der von Greenpeace ins Visier genommen wird, werde sich daher wohl auch anders verhalten als Nestlé und klein beigeben. Denn gegen Millionen von Internetnutzern habe auch ein Milliardenkonzern keine Chance. Die Orang Utans sind wohl froh darüber.
Wissen: Palmöl
Jedes Jahr werden 160 Millionen Tonnen an essbaren Ölen und Fetten produziert. Knapp ein Drittel davon ist Palmöl. Die Ölpalme stammt ursprünglich aus Westafrika. Heute sind aber Malaysia und Indonesien die größten Hersteller. Mittlerweile findet Palmöl nicht nur Verwendung in Nahrungsmitteln und Seifen, sondern auch als Grundstoff für die Biodieselproduktion. Damit steigt die Nachfrage rasant - und der Platzbedarf für Palmölplantagen. Dies hat massive Konsequenzen für den Urwald in Malaysia und Indonesien wie auch für das Klima. Denn nun rücken die Plantagen auch in Torfmoorevor. Werden diese trockengelegt, geben sie CO2 frei, das für Tausende von Jahren im Torf gebunden war. Nicht zuletzt deshalb ist Indonesien der drittgrößte Produzent von Treibhausgasen weltweit.