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Netanjahus wackliges Kabinett

Von WZ-Korrespondent Andreas Schneitter

Politik

Die neue israelische Regierung wurde nach zähen Verhandlungen nun doch vereidigt. Sie steht aber bereits jetzt in der Kritik.


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Jerusalem. Wie bei den Koalitionsverhandlungen vergangene Woche bedurfte es eines zähen Handels um Ämter und Einfluss, bis die Knesset per Stimmentscheid den Weg freimachte: Am Donnerstagabend wurde das Kabinett des neuen alten israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu dann schließlich doch vereidigt. Unter Einfluss seines damaligen Finanzministers Yair Lapid, dessen Zukunftspartei nun in Opposition ist, hatte Netanjahu in seiner letzten Amtszeit den Umfang der Regierung auf 18 Ministerposten beschränkt. Nun musste dieses Gesetz beiseite geschafft werden, da Netanjahu mehr Ämter brauchte, die er vergeben konnte. Anders hätte er seine Versprechen, die er in den Koalitionsverhandlungen seinen zukünftigen Regierungspartner gegeben hatte, nicht halten können.

Doch auch mit der Vergrößerung seiner Regierungsmannschaft wird Netanjahu einiges Geschick benötigen, um seine knappe Parlamentsmehrheit halten zu können. Nur zwölf der zwanzig Kabinettsposten gehen an seine Parteikollegen vom Likud, was unter einigen prominenten, jedoch übergangenen Namen zu Verstimmung geführt hat. Dass Netanjahu außerdem das Außenministerium bei sich behält, weckt den Verdacht, dass der Premier weiterhin seinen Wahlkampfgegner und jetzigen Oppositionsführer Isaac Herzog von der Arbeitspartei in die Regierung zu locken plant, um die schwache Koalition besser abzusichern.

Die übrigen acht Ministerämter gehen an die vier Kleinparteien rechts der Mitte, die zusammen mit dem Likud vorläufig die Regierung bilden werden. Nicht alle davon sind unumstritten. Unrühmlich etwa ist die Vergangenheit von Aryeh Deri, Führer der ultraorthodoxen Schas-Partei und designierter Wirtschaftsminister. Deri wurde im Jahr 2000 zu vier Jahren Haft verurteilt und mit einem politischen Amtsverbot von sieben Jahren belegt, weil er während seiner Funktion als Innenminister in den 1990er Jahren Bestechungsgeld angenommen hatte. Insbesondere Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein kritisierte Netanjahu für die Ernennung Deris, die "der Integrität der Regierung und dem Vertrauen der Öffentlichkeit schaden könnte", wie Weinstein in einer Erklärung mahnte.

Keine Zwei-Staaten-Lösung

Noch größer ist die Bestürzung in der säkularen Opposition über die Vergabe des Justizministeriums an Ajelet cShaked von der rechtsnationalen Siedler-Partei Habait Hayehudi. Die 39-jährige Schaked ist die einzige säkulare Abgeordnete der Partei und vertritt in Fragen der Geschlechtergleichheit durchaus linksliberale Positionen. So lobbyierte sie für verbesserte Anstellungsbedingungen arabisch-israelischer Akademikerinnen und die Chancengleichheit von Frauen in der Armee.

Berüchtigt ist sie jedoch für ihren überbordenden Nationalismus: Illegale afrikanische Einwanderer bezeichnete sie als "Infiltration" zum Schaden von Wirtschaft und Gesellschaft, und zu Beginn des Gaza-Kriegs im Sommer 2014 veröffentlichte sie auf ihrer Facebook-Seite einen Beitrag, in dem palästinensische Kinder als "kleine Schlangen" verunglimpft und drakonische Kollektivstrafen für die palästinensische Bevölkerung nach Terroranschlägen gefordert wurden. Schaked steht außerdem hinter dem sogenannten "Anti-NGO-Gesetz", das israelischen Menschenrechtsorganisationen mit ausländischen Geldgebern die automatische Steuerbefreiung abspricht. Diese müsste neu vom Justizministerium bestätigt werden - von demjenigen Ministerium also, dem Schaked nun vorsteht. Kommt das Gesetz durch, wäre die Arbeit von linken NGOs damit drastisch beschnitten.

Schaked hat außerdem angekündigt, den Obersten Gerichtshof auf eine "konservative" Rolle zurechtzustutzen. Insbesondere ist ihrer Partei die Praxis des Gerichtshofes, vom Parlament verabschiedete Gesetze zurückzuweisen, sofern sie mit demokratischen oder säkularen Grundrechten des Staates kollidieren, ein Dorn im Auge. Und nicht zuletzt ist Schaked eine konsequente Gegnerin eines palästinensischen Staates. "Betrachtet man das Chaos, in dem die Region versinkt, wehre ich mich dagegen, auch nur einen Flecken Land aufzugeben", verkündete sie während des Wahlkampfs. Die neue Regierung ist ihr zumindest in diesem Punkt bereits gefolgt: In den gestern veröffentlichten Leitplanken des Kabinetts wird zwar der "Einsatz für ein Friedensabkommen mit den Palästinensern" erwähnt. Von der Zweistaatenlösung fehlt jedoch jede Spur.

 Silvan Shalom (Likud) soll Innenminister und Vize-Ministerpräsident werden, Moshe Yaalon (Likud) bleibt Verteidigungsminister. Joav Galant von der Mitte-Rechts-Partei Kulanu wird Bauminister, der Kulanu-Chef Moshe Kahlon Finanzminister. Naftali Bennett von der Siedlerpartei wird Bildungsminister, seine Parteikollegin Ajelet Schaked Justizministerin. Arie Deri von der strengreligiösen Shas wird Israels Wirtschaftsminister. Das Außenministerium behält Netanjahu zunächst selbst.