Israels Premier reist mit hochkarätiger Forderung im Gepäck nach Washington.
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Tel Aviv/Washington. Israels Premier Benjamin Netanyahu reist am Montag nach Washington, um Präsident Barack Obama zu einer Richtungsänderung in einer äußerst heiklen Frage zu bewegen: Es geht darum, dass die USA ebenso wie Israel mit einem Militärschlag drohen sollen, wenn der Iran sein Atomprogramm fortführt und eine nicht näher definierte "rote Linie" überschreitet.
Während die israelische Regierung - allen voran Verteidigungsminister Ehud Barak - ganz klar von der Möglichkeit eines Krieges spricht, halten sich die USA auffällig zurück. Zwar erklärt man im Weißen Haus, dass man an der Seite Israels stehe und sich in der Frage alle Optionen offen halte. Allerdings wird in Washington betont, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass der Iran an der Konstruktion einer Atombombe arbeite. Teheran habe seine Bemühungen, einen nuklearen Sprengsatz zu bauen, 2003 aufgegeben, heißt es in einem streng vertraulichen Bericht der US-Geheimdienste.
Diese Einschätzung vertreten US-Militärs auch in der Öffentlichkeit - und sorgen damit für großen Ärger in Israel. Dort weiß man, dass die eigene Kriegsdrohung durch Beschwichtigungspolitik der USA viel an Glaubwürdigkeit einbüßt. Notfalls, so heißt es in Tel Aviv, werde man eben einen Alleingang unternehmen. Das wäre der Fall, wenn Israels Existenz unmittelbar bedroht würde. Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat mehrfach angedroht, Israel auszulöschen.
Netanyahu will die iranischen Atomanlagen bombardieren, bevor Teheran in der Lage ist, das atomar angereicherte Material in unterirdischen Bunkern jedem Zugriff von außen zu entziehen. Die USA befürchten aber, im Fall eines israelischen Angriffs in einen neuen Krieg verwickelt zu werden, der den ganzen Nahen Osten erfassen könnte, und fallen dem Bündnispartner in den Arm.
"Mangel an Vertrauen"
Zuletzt publizierte die "New York Times" unter Berufung auf ranghohe US-Offiziere einen Bericht, wonach ein israelischer Luftschlag rein technisch schwer umzusetzen sei. In Tel Aviv war man wieder empört, sprach von "Medienspekulationen" und sah die Glaubwürdigkeit der eigenen Kriegsdrohung einmal mehr in Mitleidenschaft gezogen. Jetzt ist die Rede davon, dass im US-israelischen Verhältnis ein "ernsthafter Mangel an Vertrauen" herrsche. Es ist kein Geheimnis, dass Obama und Netanyahu schlecht miteinander auskommen, bei Treffen liegt stets spürbare Aggression in der Luft.
Dazu kommt, dass Obama alles tut, um einen neuen Krieg zu verhindern. Die Wunden, die der Irak- und Afghanistan-Einsatz geschlagen haben, sind noch nicht verheilt. Strategie-Experten weisen darauf hin, dass ein Atomschlag gegen Israel - auch wenn der Iran die Atomwaffe einmal haben sollte - nicht wahrscheinlich sei. Immerhin ist es kein Geheimnis, dass auch Israel über ein Atomwaffen-Arsenal verfügt. Viel plausibler sei, dass Teheran - die Atomwaffe im Rücken - selbstbewusster auftrete und etwa die strategisch wichtige Straße von Hormuz tatsächlich sperre.
Die Mehrheit der Israelis lehnt übrigens laut Umfrage einen Alleinangriff ihres Landes auf den Iran ab. Nur 19 Prozent befürworten demnach einen Militärschlag auch ohne Unterstützung der Regierung in Washington.