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Neubeginn als Bürger

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Sozialismus statt Sozialdemokratie: Was auch immer damit genau gemeint ist, so lautet jedenfalls die Kampfansage von Syriza, jenem bunten linken Bündnis, das laut Umfragen beste Chancen hat, die griechischen Parlamentswahlen am 25. Jänner zu gewinnen. Syriza vereint Sozialdemokraten genauso wie Trotzkisten, Maoisten, Feministen, Pazifisten, Grüne und Radikale.

Der mögliche, aber keineswegs gewisse Wahlsieg der Linkspopulisten hat es geschafft, die griechische Tragödie wieder in die Schlagzeilen zu bringen; die Pläne für einen Schuldenschnitt und die angekündigte Abkehr von Reformen der vergangenen Jahre sorgen für Aufregung. Was Romantiker der Revolution als ersehnte Linkswende in Europa verklären, zeichnet anderen die Sorgenfalten vor einem "Grexit" ins Gesicht.

So oder so, das Endergebnis wird die Folge langwieriger politischer Verhandlungen der neuen griechischen Regierung mit ihren Gläubigern und europäischen Partnern sein.

Die Neuwahlen im Mutterland der Demokratie bieten dennoch die Chance auf eine Zäsur. Der vorzeitige Urnengang mag für Technokraten zur Unzeit kommen, weil er das Zeug hat, erzielte Fortschritte - etwa einen Überschuss im Primärhaushalt, also vor den Zinszahlungen - zunichte zu machen. Die große Chance liegt darin, die Griechen mit ihrer Demokratie zu versöhnen.

Dass einzelne Staaten im Zuge der Krise unter Kuratel gestellt wurden und gewählte Parlamente samt ihren Regierungen entmündigt wurden, war vielleicht unumgänglich, um Schlimmeres zu vermeiden; ein Bruch mit den elementaren Prinzipien der Demokratie bleibt es. Dass diese Entmündigung von jenen Parteien exekutiert wurde, die zuvor den Staat in den Ruin gewirtschaftet hatten, hat die Wut auf das Establishment nur noch befeuert. Nicht verschweigen werden soll, dass die Bürger am Zugrunderichten ihres Gemeinwesens mitgewirkt haben.

Sollten die griechischen Wähler am Sonntag nun tatsächlich die Reste ihres korrumpierten Parteienstaats hinwegfegen, wäre zumindest dem Wunsch nach einem demokratischen Neubeginn Genüge getan. Ob das ausreicht, die Bürger mit ihrem Staat zu versöhnen, wird sich erst zeigen. Niemand kann ausschließen, dass alles noch schlimmer kommt - etwa im Falle eines "Grexit" oder falls sich Syriza als Haufen regierungsunfähiger Chaoten erweist. Aber immerhin wäre es dann das Versagen einer gewählten Regierung.